Übungen

Ich will arbeiten

„Wir alle haben Talent. Wie wir es nutzen macht den Unterschied.“

Stevie Wonder 
US-amerikanischer Musiker (geboren 1950)

Überblick

Themen
  • Arbeit
  • Menschen mit Behinderungen
  • Diskriminierung und Intoleranz
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

Beliebig (auch in Kleingruppen: 3-6 Personen)

Zeit

210 Minuten. Teil 1: 90 Minuten, Teil 2 und Nachbereitung: mindestens 120 Minuten

Überblick

In dieser Übung geht es um die Sensibilisierung für die Fähigkeiten jedes Einzelnen, für die Situation von Menschen mit Behinderungen im Kontext Arbeit. Die Teilnehmer*innen diskutieren Empowerment-Möglichkeiten

Fokus
  • Das Recht auf Chancengleichheit
  • Schutz vor Diskriminierung
Ziele
  • Sensibilisieren für unterschiedliche Fähigkeiten und Bedürfnisse
  • Die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft verstehen und das damit verbundene Konzept der angemessenen Vorkehrungen
  • Weiterentwicklung kollegialer Beziehungen und Strukturen am Arbeitsplatz
Materialien
  • Flipchart-Papier und Stifte
Vorbereitung
  • Bereiten Sie Flipchart-Papier oder Moderationskarten und Stifte vor, je nach Gruppengröße auch für Kleingruppen.
  • Es kann hilfreich sein, Informationen, zum Beispiel Definitionen und Artikel aus den Menschenrechtsdokumenten als Kopien mit in die Kleingruppen zu geben (siehe „Weitere Informationen“)

Durchführung

Anleitung

Teil 1
  1. Lassen Sie zum Einstieg alle Teilnehmer*innen (TN )kurz einzeln über folgende Fragen nachdenken:
    1. Welche drei Fähigkeiten fallen den TN spontan ein, die sie als ihre individuellen Stärken bezeichnen würden?
    2. Haben die TN schon einmal die Erfahrung gemacht, dass sie mit ihren Fähigkeiten nicht gesehen oder ihnen bestimmte Fähigkeiten nicht zugetraut wurden?
    3. In welchem Kontext fand diese Erfahrung statt (zum Beispiel Familie, Freizeit, Schule, Praktikum, Ausbildung, Arbeitsplatz etc.)?
    4. Welches Gefühl hatten die TN in dieser Situation?
    5. Welche Bedeutung hatte dieses Nicht-Gesehenwerden für ihre Situation, zum Beispiel für ihre Arbeit oder ihren Kontakt mit Mitschüler*innen oder Kolleg*innen?
    6. Warum glauben die TN, wurden ihre Fähigkeiten hier nicht erkannt oder genutzt?
    7. Wie haben die TN und andere Personen in dieser Situation reagiert, konnten sie den Sachverhalt richtigstellen und ihre Fähigkeiten einbringen?
  2. Wer möchte, kann sich dazu kurz im Plenum austauschen.
  3. Sammeln Sie nun auf einem großen Bogen Papier mit den TN Fähigkeiten, die für ihren Schul-, Ausbildungs- oder Arbeitskontext von Bedeutung sind. Dabei können sie auch auf ihre individuellen Fähigkeiten aus Schritt 1 zurückgreifen.
  4. Überlegen Sie gemeinsam, wie an Schulen, anderen Bildungseinrichtungen oder Arbeitsstellen die Fähigkeiten jedes einzelnen erkannt, wertgeschätzt und genutzt werden. Kennen die TN Situationen, in denen jede*r durch bestimmte Fähigkeiten zum Gelingen beitragen konnte?
  5. Fragen Sie, was die TN über das „Recht auf Arbeit“ wissen. Erläutern Sie anhand der Informationen am Ende dieser Übung, welche Menschenrechtsnormen es dazu gibt. Gehen Sie an dieser Stelle noch nicht auf den Aspekt der Behinderung ein.
  6. Erläutern Sie den TN, dass laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und ihrem Weltbericht zum Thema Behinderungen 2011 weltweit zehn bis 15 Prozent aller Menschen eine Behinderung haben. Sprechen Sie über die Aspekte der Definition zu Behinderungen im Abschnitt „Weitere Informationen“ und was sie bedeuten. Je nach Gruppengröße können Sie dies zunächst in Kleingruppen diskutieren und dann im Plenum zusammentragen.
  7. Erläutern Sie, was „Angemessene Vorkehrungen“ sind und überlegen Sie gemeinsam, was diese für das Recht auf Arbeit der Arbeitnehmenden, die Arbeitgeberseite, aber auch für die Nutzung der Fähigkeiten des Einzelnen und das kollegiale Miteinander im Betrieb bedeutet.
  8. Bitten Sie die TN, jede*r für sich zu überlegen, ob sie*er eine*n Kollege*in, Mitschüler*in oder Bekannte*n mit Behinderungen kennt. Sind Behinderungen immer allen bekannt? Wer möchte, kann sich dazu kurz im Plenum äußern.
  9. Bitten Sie die TN, jede*r für sich darüber nachzudenken, wie sie ihr Zusammenleben mit Menschen mit Behinderungen wahrnehmen. Wenn TN sich nicht darüber bewusst sind, Menschen mit Behinderungen zu kennen, können sie sich auch Menschen mit andere Einschränkungen vorstellen, etwa Menschen, die nicht gut Deutsch sprechen oder eine bestimmte Sache in Bezug auf die Arbeit oder Schule nicht gut können. Folgende Fragen können Impulse sein:
    1. Welche Fähigkeiten und Eigenschaften schätzen die TN an dieser Person?
    2. Wie ist sie in den (Schul-)Betrieb beziehungsweise das kollegiale Miteinander  am Arbeitsplatz eingebunden?
    3. Wissen die TN um angemessene Vorkehrungen, die für die Person eingerichtet wurden? Wie denken sie darüber?
    4. Wie tragen die TN dazu bei, dass die Person ihre Fähigkeiten und Kompetenzen einbringen und nutzen kann?
    5. Wissen die TN durch ihre gemeinsame Arbeit und den Austausch mit der Person von Dingen, die an ihrem Arbeitsplatz oder in ihrem (Schul-)Betrieb noch verbessert werden können? Wer möchte, kann sich dazu kurz im Plenum äußern.
  10. Je nach Kenntnisstand der Gruppe ist es an dieser Stelle sinnvoll zu klären, was Diskriminierung bedeutet und dass es ein Recht auf Nichtdiskriminierung gibt. Informationen hierzu finden Sie am Ende dieser Übung und in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB).
Teil 2

Nach diesen ersten eigenen Überlegungen zum Thema soll die Gruppe Menschen mit Behinderungen aus dem eigenen Betrieb oder aus Selbstorganisationen kontaktieren und fragen, ob sie bereit sind, ihre Perspektive und ihre Erfahrungen zu diesem Thema beizutragen.

  1. Die Gruppe soll bei der Einladung und der Organisation dieses Austauschs die Menschen mit Behinderungen als Expert*innen für ihre Situation einbinden, ihre Bedarfe wahrnehmen und umsetzen. Sammeln Sie mit den TN hier wichtige Punkte und achten Sie darauf, dass diese in der Kontaktaufnahme und Vorbereitung des Treffens berücksichtigt werden.
  2. Lassen Sie diese Personen aus ihrem Alltag berichten. Es geht auch um einen Erfahrungsaustausch zu den bisher von der Gruppe erarbeiteten Punkten. Die Person kann einen Einblick geben, wie sie sich mit ihren Fähigkeiten gesehen fühlt, welche positiven Entwicklungen sich in ihrem Alltag ergeben haben, wie sie selbst dabei mitgewirkt hat und wo es noch Herausforderungen gibt.

Impulsfragen können sein:

  • Lassen sich Berufsfindungsprozesse von Menschen mit und ohne Behinderungen miteinander vergleichen? Wie finden hier Beratungsprozesse statt und werden Talente, Fähigkeiten und Berufswünsche berücksichtigt?
  • Welche Erfahrungen hat die Person in Bewerbungssituationen gemacht, wie wurde hier mit ihren Fähigkeiten, aber auch ihren Schwächen und Bedarfen umgegangen?
  • Wie waren strukturelle Erfahrungen, zum Beispiel in der Gestaltung des Arbeitsplatzes, der Geräte, die für die Tätigkeit wichtig sind?
  • Wie hat sich die Integration in den Kreis der Kolleg*innen gestaltet, wer hat die Einarbeitungsphase begleitet und wie wurden hier individuelle Fähigkeiten und Bedarfe berücksichtigt?
  • Sind durch das Miteinander Sensibilisierungs- und Veränderungsprozesse bei Mitarbeitenden und im Betrieb angestoßen worden und wie sahen/sehen diese aus? Natürlich sollte die eingeladene Person selbst entscheiden, welche Fragen sie beantworten möchte und welche lieber nicht.

Überlegen Sie mit der Gruppe, welche Rolle Kolleg*innen in diesem Prozess spielen und was ihr Beitrag sein kann, damit Kolleg*innen mit Behinderungen ihr Recht auf Arbeit umsetzen und sich mit den Facetten ihrer Persönlichkeit einbringen können.

Nachbereitung und Auswertung

Sie können in der Auswertung nochmals zentrale Punkte zusammenfassen:

  • Wie wichtig ist ein Bewusstsein über die eigenen Fähigkeiten, aber auch über die eigenen Rechte?
  • Glauben die TN, dass das Recht aller auf Arbeit in der Praxis gewährleistet ist?
  • Was sind die Hauptgründe für die hohe Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderungen?
  • Welche Menschenrechte sind für die Arbeitsmöglichkeiten von Menschen mit Behinderungen relevant?
  • Wer sollte dafür verantwortlich sein, dass Menschen mit Behinderungen fair behandelt werden?
  • Was halten die TN von der Idee der „angemessenen Vorkehrungen“?
  • Kennen die TN das Thema Diskriminierung bei Stellenbewerbungen auch aus Ihrem eigenen Umfeld?
  • Wie können wir diskriminierende Einstellungen insgesamt und speziell in Bezug auf die Dimension Behinderung in der Gesellschaft verändern? Was können wir in unserem Umfeld konkret dazu beitragen?
  • Wie können wir auf Rahmenbedingungen und Strukturen Einfluss nehmen, die manche Menschen diskriminieren und ihr Recht auf Arbeit missachten?

Tipps für die Moderation

Einführung

Falls Sie wissen, dass in der Gruppe eine Person mit Behinderung ist, sprechen Sie diese im Vorfeld an und erklären Sie ihr die Übung. Geben Sie dieser Person die Möglichkeit, aus ihrem Leben zu berichten und so als handelnde*r Expert*in aus seinem*ihrem Alltag zu berichten, wenn sie dies möchte. Passen Sie die Übung in ihren Schritten dann entsprechend an. Geben Sie dieser Person aber auch die Möglichkeit, auf diese Übung zu verzichten, wenn sie dies möchte. Seien Sie sich außerdem bewusst darüber, dass es Behinderungen geben kann, von denen Sie nichts wissen, oder eine besondere Sensibilität über enge Bezugspersonen bei TN vorkommen kann, ohne dass Sie davon wissen.

Varianten

In Teil 1 können die Impulsfragen auch direkt in Zweier- oder Dreiergruppen diskutiert werden (statt zunächst jede*r für sich), wenn die Gruppe vertrauensvoll zusammen arbeitet.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Je nachdem, wie viel Zeit zur Verfügung steht, können Sie die Gruppe dazu auffordern, sich differenzierter mit der Formulierung von Stellenausschreibungen oder Tätigkeitsbeschreibungen vor dem Hintergrund von Diskriminierungsaspekten auseinanderzusetzen. Hierzu könnten in Kleingruppen Empfehlungen entwickelt, vorgestellt und diskutiert werden.

Hintergrundinformationen hierfür finden Sie zum Beispiel bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, bei der österreichischen Arbeiterkammer oder beim Eidgenössischen Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen.

Begeistert sich die Gruppe für Rollenspiele und hat Interesse am Thema Diskriminierung arbeitender Mütter und Väter, dann gefällt ihr vielleicht die Übung „Arbeit und Kinder“.

Eine weitere Übung zum Thema Arbeit ist „Gewerkschaftsversammlung“. Es handelt sich um die Simulation einer Betriebsversammlung, bei der Betriebsleitung, Belegschaft und Gewerkschaftsvertretung über Löhne und Arbeitsbedingungen verhandeln. den Bildungsmaterialien des Deutschen Instituts für Menschenrechte sowie im Online-Handbuch Inklusion.

Wenn sich die Gruppe vertieft mit dem Thema Behinderung und Inklusion auseinandersetzen möchte, finden Sie Texte, Anregungen und Übungen dazu in den Bildungsmaterialien des Deutschen Instituts für Menschenrechte sowie im Online-Handbuch Inklusion.

Ideen zum Handeln

Die TN können recherchieren, ob Organisationen oder Unternehmen vor Ort Richtlinien für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen haben. Die Gruppe kann mittels einer Umfrage feststellen, ob sich Organisationen über die Anforderungen aus der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) im Klaren sind und wie sie diese in ihrer Organisation umsetzen.

Weitere Informationen

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben weltweit etwa 15 Prozent aller Menschen eine Behinderung, das sind mehr als eine Milliarde. Behinderungen und chronische Erkrankungen können unter anderem als Folge von schlechtem Trinkwasser, fehlender Nahrung, mangelnder Hygiene oder schlechter Gesundheitsversorgung entstehen. Aber auch Flucht, Gewalt und Krieg sind Faktoren, die gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen.

Quelle: WHO: World Report on Disability (PDF, 612 KB, nicht barrierefrei) (S. 7-8)

Auf der Homepage der Monitoringstelle UN- Behindertenrechtskonvention am Deutschen Institut für Menschenrechte finden Sie Informationen zu Behinderungsbegriff und zur UN- Behindertenrechtskonvention (UN-BRK).

In der UN- BRK finden Sie auch Erklärungen zu Begriffen wie „Behinderungen“ (Artikel 1) und „Angemessene Vorkehrungen“ (Artikel 2).

Informationen zu den Themen Diskriminierung und Intoleranz finden Sie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB).

Video: Inklusions-Podcast mit Anne Gersdorff

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