Übungen

Bald überholt

„Was wir heute für utopisch halten, ist in einem anderen Jahrzehnt nicht unmöglich.“

Constance Baker Motley 
erste schwarze Richterin an einem US-Bundesgericht (1921 – 2005)

Überblick

Themen
  • Religion und Weltanschauung
  • Globalisierung
Komplexität

Stufe 2

Gruppengröße

Beliebig (in Kleingruppen: 5–6 Personen)

Zeit

90 Minuten

Überblick

In dieser Übung diskutieren die Teilnehmer*innen, wie sich Überzeugungen entwickeln, wie sie verstärkt werden und wie und warum sie sich im Lauf der Zeit ändern.

Fokus
  • Das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit
  • Schutz vor Diskriminierung und Intoleranz
  • Das Recht, frei am kulturellen Leben der Gemeinschaft teilzunehmen
Ziele
  • Einsicht erhalten, wie sich gesellschaftliche Überzeugungen wandeln
  • Lernen, kritisch zu denken und zu diskutieren
  • Aufgeschlossenheit und Neugier fördern
Materialien
  • Je 1 Satz Themenkarten pro Kleingruppe
  • 1 Bogen großformatiges Papier und Stifte für jede Gruppe
Vorbereitung

Kopieren Sie das Arbeitsblatt, fügen Sie wenn nötig weitere Themen hinzu oder lassen Sie welche weg und schneiden Sie die Karten aus. Sie brauchen 1 Kartensatz pro Kleingruppe.

Durchführung

Anleitung

  1. Erklären Sie, dass es in dieser Übung darum geht, wie sich Überzeugungen im Lauf der Zeit ändern. Zunächst sprechen die Teilnehmer*innen (TN) darüber, welche Überzeugungen früherer Generationen nicht mehr in die heutige Zeit passen. Dann geht es um ihre eigenen Überzeugungen, die kommenden Generationen eventuell überholt vorkommen werden.
  2. Eruieren Sie in einem Brainstorming, was die Gruppe unter Begriffen wie Überzeugung, Einstellung und Meinung versteht.
  3. Dann werden Kleingruppen zu je 5 bis 6 Personen gebildet.
  4. Jede Gruppe bestimmt eine Person, die die Diskussionsergebnisse auf dem großen Papierbogen zusammenfasst und im Plenum berichtet.
  5. Die Gruppen wählen aus den Themenkarten auf dem Arbeitsblatt 5 Themen aus, zu denen sich die Einstellungen über die letzten Generationen geändert haben und mit denen sie arbeiten wollen.
  6. Die Gruppen nehmen sich eine Karte nach der anderen vor und diskutieren darüber, welche Überzeugungen frühere Generationen zu diesem Thema hatten. Worauf begründeten sie diese Ansichten? Wie wurden sie gefestigt? Haben sie aus der Lebensperspektive dieser Generation Sinn gemacht beziehungsweise waren wichtig für ihr Leben? Warum?
  7. Dann versuchen sich die TN vorzustellen, wie das Leben für ihre Kinder oder Enkel*innen aussehen mag, und sprechen über deren Überzeugungen. Wie werden sich deren Einstellungen zu den ausgewählten Themen von den ihren unterscheiden? Warum werden sie anders sein?
  8. Welchen menschenrechtlichen Bezug haben die Überzeugungen?
  9. Treffen Sie sich wieder im Plenum und bitten Sie die Gruppen, ihre Ergebnisse nacheinander kurz vorzustellen.

Nachbereitung und Auswertung

Beginnen Sie mit einer kurzen Beurteilung der Übung und sprechen Sie anschließend über die Herausforderungen des Lebens in einer globalisierten Welt, in der sich Überzeugungen und Werte verändern.

  • Gab es ausgeprägte Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppen? Zu welchen Themen und Punkten und warum?
  • Wie sehen die Ergebnisse aus den verschiedenen Gruppen im Vergleich aus?
  • Bei welchen Überzeugungen war es leicht, einen menschenrechtlichen Bezug herzustellen? Bei welchen war es schwer?
  • Woher kommen unsere Überzeugungen? Lässt sich etwas Allgemeines darüber sagen, wie es früher war und wie sich das in Zukunft ändern wird?
  • Warum verändern sich Überzeugungen?
  • Gibt es allgemeingültige Überzeugungen? Wenn ja, was für welche und warum? Wenn nicht, warum gibt es keine allgemeingültigen Überzeugungen?
  • Welche Vorteile bringen gemeinsame Überzeugungen?
  • Wie werden wir durch unsere Überzeugungen eingeschränkt?
  • Was würde einzelne TN dazu bringen, ihre Überzeugungen zu ändern?
  • Wie schwer ist es, Überzeugungen zu ändern? Welche sind schwerer und welche sind leichter zu ändern? Warum?
  • Wie kann man sich selbst gegen Propaganda und falsche Behauptungen schützen, zum Beispiel gegen politische PR, „fake news“ oder gegen Marketingmaschen?
  • Kennen die TN Beispiele für Einschränkungen des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Wer sollte über solche Einschränkungen entscheiden?
  • Kennen die TN Beispiele für Einschränkungen der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit in ihrer Gemeinde, ihrem Land, in Europa und dem Rest der Welt?

Tipps für die Moderation

Einführung

Trotz Kleingruppenarbeit kann es sein, dass manche sich zurückhalten, ihre Meinung kundzutun. Schaffen Sie eine Atmosphäre, die unterschiedliche Meinungen zulässt und Einzelne ermutigt, die eigene Meinung mitzuteilen. Das lässt sich beispielsweise dadurch erreichen, dass in den Kleingruppen Personen zusammenarbeiten, die sich gut verstehen. Oder Sie geben zunächst weniger brisante und kontroverse Themen vor und heben sich umstrittene für später auf, wenn das Vertrauen gewachsen ist.

Je nach Zusammensetzung der Gruppe kann es sinnvoll sein, statt der vorgegebenen Themen auf dem Arbeitsblatt mit den Aussagen der TN vom Beginn der Übung und so mit den eigenen Themen zu arbeiten.

Klären Sie bitte mit den TN, dass es in dieser Übung weder um die Diskussion einzelner Aspekte persönlicher Überzeugungen geht noch darum, andere Personen von den eigenen Ansichten zu überzeugen. Es sollen in dieser Übung keine Stereotype konstruiert werden. Achten sie auf einen respektvollen Umgang miteinander.

Eine Welt aufzubauen, in der Menschenrechte grundsätzlich respektiert werden, heißt, unterschiedliche Überzeugungen auf Grundlage der Menschenrechte und der dahinterstehenden Werte zu überprüfen und hierüber miteinander ins Gespräch zu kommen, damit Veränderungen möglich werden. Diese Übung soll daher begreiflich machen, dass Überzeugungen als soziale Konstrukte von der Gesellschaft dem jeweiligen Kontext und der Zeit abhängen, in der man lebt. Die Übung soll für eigene Überzeugungen und ihre Hintergründe sensibilisieren und zu kritischem Denken und dem Austausch zu Menschenrechten als Referenzrahmen anregen.

Varianten

Sprechen Sie mit der ganzen Gruppe über einige der Aussagen auf den Arbeitsblättern. Verwenden Sie dazu die Methode „Positionierungsübung“ (siehe Kapitel 1 „Menschenrechtsbildung und Kompass: eine Einführung" (PDF, 348 KB)). Bei dieser Variante brauchen die TN selbst nichts zu sagen, sondern können sich die Überzeugungen anderer anhören und daraus Einsichten gewinnen.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Je nachdem, wie die Diskussionen verlaufen sind, können Sie sich nun anhand der Übungen „Let’s talk about sex – and gender” oder „Gläubige“ mit Überzeugungen über persönliche Beziehungen beschäftigen. Anhand der Übung „Ein Gotteshaus in Großkleinberg“ können Sie sich mit dem Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit auseinandersetzen.

Ideen zum Handeln

Suchen Sie sich zusammen mit einer Gruppe oder Ihrer Klasse eine verbreitete Überzeugung aus, die zu Vorurteilen gegenüber Menschen in Ihrem Umfeld und deren Diskriminierung führen kann, zum Beispiel über Homosexualität, Abtreibung, außereheliche Beziehungen oder Geschlechterrollen. Laden Sie eine NGO oder eine andere Organisation ein, um über das Thema zu sprechen und die damit verbundenen Probleme zu erläutern. Entscheiden Sie dann, was Sie tun wollen. Sie können auch ein Theaterstück über ein ausgewähltes Thema entwickeln und es in Ihrem Umfeld aufführen.

Weitere Informationen

Das Verständnis dafür, wie sich Überzeugungen entwickeln, ist ein wichtiger Schritt für die Förderung einer Kultur der Menschenrechte. Psycholog*innen, die die Entstehung von Überzeugungen und den Zusammenhang zwischen Überzeugung und Handeln untersuchen, haben festgestellt, dass Überzeugungen auf unterschiedliche Art und Weise zustande kommen:

  • Als Kinder neigen wir dazu, die Überzeugungen unserer Mitmenschen zu verinnerlichen. Albert Einstein wird oft mit dem Satz zitiert, dass der gesunde Menschenverstand eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen sei, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat. So übernehmen wir häufig politische Überzeugungen, die in unserer Gemeinschaft am weitesten verbreitet sind.
  • Es kommt vor, dass Menschen die Überzeugungen einer charismatischen Führungspersönlichkeit übernehmen, obwohl sie all ihren bisherigen Überzeugungen und ihrem Handeln widersprechen. In solchen Fällen versuchen Menschen, ihre unmittelbare Realität mit der Überzeugung und den Widersprüchen in Übereinstimmung zu bringen.
  • Überzeugungen entstehen durch Wiederholung. Dasselbe gilt für die Verknüpfung von Überzeugungen mit intensiven positiven Emotionen. Dieser Zusammenhang wird häufig von der Werbebranche genutzt.
  • Selbst gebildete und reflektierte Menschen, die durchaus wissen, wie Überzeugungen zustande kommen, halten an diesen fest und handeln danach, manchmal auch gegen ihre eigenen Interessen.

Bei einer Feier zum Internationalen Tag des Lehrers 2010 sagte Prabhakara Shishila vom Sullia Nehru Memorial College: „Lehrkräfte sollten den Lernenden rationales Denken einimpfen.“ Stimmen Sie dem zu?

Die Gruppe der Makah (auch die Makah genannt) lebt in einem Reservat an der äußersten Nordwestspitze der Olympic-Halbinsel im US-Bundesstaat Washington. Das derzeitige Reservat ist ungefähr 109 Quadratkilometer groß. Der Zensus im Juli 1999 ergab, dass die Gruppe der Makah 1214 eingetragene Mitglieder hat, derzeit leben 1079 Mitglieder im Reservat. Die durchschnittliche Arbeitslosenrate beträgt 51 Prozent. Die Einkommen von fast der Hälfte aller Haushalte im Reservat liegt unterhalb der offiziellen Armutsgrenze und 59 Prozent der Wohneinheiten werden als unzureichend erachtet. Die familiären Bindungen sind sehr stark und viele Makah, die einen College-Abschluss machen, kehren ins Reservat zurück, um für die Gruppe, das örtliche Krankenhaus und die Public School zu arbeiten.

Arbeitsblätter

Weiterführende Links

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