Übungen

Zugang zu Medikamenten

„Eine weltweite gemeinsame Anstrengung engagierter Menschen kann etwas verändern.“

Zackie Achmat 
südafrikanischer Aktivist und Gründer der Treatment Action Campaign (geboren 1962)

Überblick

Themen
  • Gesundheit
  • Globalisierung
  • Armut
Komplexität

Stufe 4

Gruppengröße

16-40 Personen

Zeit

Etwa 3 Stunden

Überblick

Diese Aktivität simuliert den Prozess der Pharmakonzerne gegen Südafrika im Jahr 2001.
Es geht um:

  • HIV/AIDS und den Zugang zu Medikamenten
  • Die Abwägung gegensätzlicher Forderungen
Fokus
  • Das Recht auf Leben und Würde
  • Das Recht auf geistiges Eigentum
  • Das Recht auf Gesundheit
Ziele
  • Für das Recht auf Gesundheit sensibilisiert werden, insbesondere für den Zugang zu erschwinglichen Medikamenten und zur Behandlung und Prävention von HIV/AIDS
  • Auseinandersetzung mit dem Recht auf (geistiges) Eigentum
  • Kommunikation, Zusammenarbeit und Konsensfindung lernen
Materialien
  • Flipchart-Papier und Stifte
  • Prozess-Rollenkarten
  • Pro Person 1 Anweisung zur Kleingruppenarbeit
  • Kleine Kärtchen (10 x 6 cm); pro Person 1 rotes und 1 grünes Kärtchen
  • Platz für Plenum- und Kleingruppenarbeit
Vorbereitung

Für Teil 1:

  • Kopieren Sie je 1 Prozess-Rollenkarte pro Person

Für Teil 2:

  • Kopieren Sie die Anweisungen zur Kleingruppenarbeit 1x pro Person
  • Fertigen Sie pro Person 1 rote und 1 grüne Karte an

Durchführung

Anleitung

Diese Übung hat 2 Teile. Teil 1 stellt die Kontroverse dar und ist eine Simulation des Prozesses; Teil 2 eine Phase der Konsensfindung.

Teil 1: Die Kontroverse/der Prozess (Gesamtzeit mindestens 60 Minuten)
  1. Erläutern Sie das Szenario. Die Teilnehmer*innen (TN) sollen sich gedanklich in das Jahr 2001 versetzen: AIDS ist eine schwere Krankheit, die in der ganzen Welt verbreitet ist. In Südafrika erkranken und sterben Millionen Menschen an HIV/AIDS, insbesondere Menschen in Armut, auch weil sie sich die teuren Medikamente nicht leisten können. Preisgünstigere Generika, also wirkungsgleiche Kopien des Originalmedikaments, wären eine Chance für sie. Doch die führenden Pharmakonzerne sind dagegen, dass preiswertere Medikamente entwickelt und vertrieben werden. Sie wollen ihre Rechte auf geistiges Eigentum schützen und haben sich zusammengeschlossen, um zu verhindern, dass irgendein Staat ihre Produkte kopiert und billiger verkauft. Sie haben die südafrikanische Regierung verklagt, die preiswerte Generika von HIV/AIDS-Medikamenten verteilt und verkauft.
  2. Erläutern Sie, dass die TN den ersten Teil – oder die vorläufige Anhörung – eines Gerichtsprozesses simulieren werden. Die Fragen für diese Simulation lauten: Wiegt das Recht auf Eigentum so schwer, dass man deswegen das Menschenrecht auf Leben und Würde in Gefahr bringen darf? Wiegen die Rechte auf Leben und Gesundheit so schwer, dass sie über dem Recht auf Eigentum stehen?
  3. Die TN bilden vier gleich große Gruppen: Die Pharma AG, die südafrikanische Regierung, die Treatment Action Campaign (TAC) und die Richterschaft.
  4. Verteilen Sie die Rollenkarten an die jeweiligen Gruppen und statten Sie sie mit Papier und Stiften aus, damit sie sich Notizen machen können. Halten Sie auch für die Richter*innen Schreibutensilien bereit, damit sie sich in der Anhörung Notizen machen können.
  5. Geben Sie den Gruppen 25 Minuten Zeit, sich zurückzuziehen, die Rollenkarten zu lesen und ihre Argumente und Fragen für den Prozess vorzubereiten. Jede Gruppe muss außerdem eine Vertretung ernennen, die für die Gruppe spricht, sowie ein oder zwei Mitverantwortliche, die bei der Diskussion unterstützen.
  6. Wenn alle bereit sind, treffen sich die vier Gruppen im Plenum.
  7. Die Richter*innen begrüßen die TN und schildern kurz den Sachverhalt dieser Anhörung sowie ihre Rolle in diesem Prozess. Dann stellen sie die Gruppen nacheinander vor und geben ihnen die Möglichkeit, etwas zu sagen. Die Pharma AG, die südafrikanische Regierung und TAC haben jeweils fünf Minuten Zeit, um ihre Positionen darzulegen und Fragen aufzuwerfen.
  8. Danach hat die Richterschaft zehn Minuten Zeit, um auf Fragen aus den Gruppen einzugehen, eventuell noch einmal den Inhalt und das Vorgehen in dieser Anhörung zu erläutern und die verschiedenen Argumente und Standpunkte zusammenzufassen.
Teil 2: Die Phase der Konsensfindung (Gesamtzeit 100 Minuten)
  1. Nun werden Vierergruppen gebildet: Jede Gruppe besteht aus jeweils einer Person als Vertretung der Pharma AG, der südafrikanischen Regierung, der TAC und der Richterschaft, die nun die Rolle einer Moderation übernimmt.
  2. Verteilen Sie die Anweisungen zur Kleingruppenarbeit sowie allen Teilnehmenden eine rote und eine grüne Karte. Stellen Sie sicher, dass alle verstanden haben, wie sie nun vorgehen und wie die farbigen Karten einzusetzen sind.
  3. Die Gruppen haben 30 Minuten Zeit, zu versuchen, einen Konsens zu vereinbaren.
  4. Rufen Sie dann alle ins Plenum zurück, um die Diskussionsergebnisse darzulegen. Geben Sie jeder Gruppe fünf Minuten für ihren Bericht. Notieren Sie die wichtigsten Lösungsvorschläge und Kernpunkte auf einem Flipchart.
  5. Haben alle Gruppen ihre Positionen und Lösungen dargelegt, diskutieren Sie über den Prozess der Entscheidungsfindung. Mögliche Fragen:
    1. Wie schwierig war es, einen Konsens zu finden?
    2. Wo liegen die Stärken und Schwächen dieser Herangehensweise?
    3. War es schwierig, sich auf eine gemeinsame Lösung zu einigen und gleichzeitig zu versuchen, alle Gruppenmitglieder an der Entscheidung zu beteiligen?
    4. Welche Aspekte haben die Konsensfindung erschwert?
    5. Welche Lösungen sind gefunden worden, was haben sie gemeinsam, worin unterscheiden sie sich?

Am Ende dieser Phase können Sie den weiteren Verlauf der gerichtlichen Auseinandersetzung umreißen (siehe „Weitere Informationen“).

Nachbereitung und Auswertung

Die Auswertung hat vermutlich bereits im Verlauf der Diskussionen in Teil 2 begonnen. Ermuntern Sie nun die TN, über den Prozess insgesamt nachzudenken und zusammenzutragen, welche Menschenrechte im Prozess eine Rolle spielten.
Mögliche Fragen:

  • Hat jemand bereits von diesem Fall gehört?
  • Was waren zu Beginn der Übung die ersten Gedanken der TN zu diesem Fall? Welche Informationen haben dies beeinflusst?
  • Wie haben sich die Auffassungen zum Sachverhalt im Verlauf der Übung geändert? Wie denken die TN über die Lösung, die tatsächlich gefunden wurde?
  • Wie lassen sich die beiden Formen der Entscheidungsfindung in der Simulation
  • Kontroverse und Konsens – miteinander vergleichen? Welche führt zu den befriedigendsten Ergebnissen? Wie definiert man ein erfolgreiches Ergebnis?
  • Welche grundlegenden Menschenrechtsthemen lagen dem Prozess zugrunde?
  • Es kommt häufig vor, dass verschiedene menschenrechtliche Ansprüche gegeneinander abgewogen werden müssen. Welchen Ansprüchen würden die TN den Vorrang geben? Nach welchen Kriterien würden sie dabei entscheiden?
  • Wie steht es um HIV/AIDS heute weltweit? Wie viele Menschen sind betroffen, wie viele erhalten Medikamente und wie viele davon sind Generika?
  • Wie ist die Situation von Menschen mit HIV/AIDS hierzulande, wie ist der Zugang zu Medikamenten und Generika geregelt? Was wird hierzulande getan, um die Öffentlichkeit über HIV/AIDS zu informieren? Was könnte und sollte darüber hinaus getan werden?

Tipps für die Moderation

Einführung

Diese Übung erfordert viel Zeit, weil es um komplexe Fragen geht, über die die TN gründlich nachdenken müssen. Die beiden Teile müssen nicht am selben Tag stattfinden, man kann sie auf zwei Tage aufteilen.

Sie sollten erläutern, dass die roten und grünen Karten es erleichtern zu erkennen, welche Argumente und Aspekte die Entscheidungsfindung fördern beziehungsweise behindern. Zum Beispiel kann es sein, dass alle TN im Laufe der Diskussionen und Verhandlungen in Teil 2 immer häufiger die grüne Karte zeigen und einverstanden sind mit dem Lösungsweg.

Einige Gruppen werden in Teil 2 einen Konsens erreichen, andere vielleicht nicht.

In der Diskussion sollten Sie die Gelegenheit nutzen, die Stärken und Schwächen der konsensorientierten Entscheidungsfindung auszuloten. Bitten Sie die Gruppen, die einen Konsens erreicht haben, nicht nur ihren endgültigen Standpunkt darzulegen, sondern auch die wichtigsten Argumente, die dazu geführt haben. Bitten Sie die Gruppen, die keinen Konsens erreicht haben, auszuführen, was sie einander näher gebracht und was zur Spaltung beigetragen hat. Weitere Informationen über Konsensfindung finden Sie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB) -  „Frieden und Gewalt“.

Anmerkung: Der Name Pharma AG wurde für diese Übung erfunden.

Varianten

Sie könnten ein Reporterteam einführen, das über den Prozess in Teil 1 berichtet. Dafür brauchen Sie zusätzliches Material: Kameras, Computer und einen Drucker. Vereinbaren Sie eine bestimmte Zeitvorgabe für die Präsentation des Berichts nach Prozessende. Deren Länge hängt vom Format ab – zum Beispiel Zeitung, Radio- oder TV-Sendung, Blog oder soziale Medien wie zum Beispiel Twitter. Wenn Sie sich für diese Variante entscheiden, müssen Sie für die Reporter*innen eine Rollenkarte kopieren. Außerdem brauchen Sie 15 Minuten länger für die Übung und 10 Minuten länger für die Bewertung der journalistischen Arbeit.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Diskutieren Sie das Recht auf Leben und Menschenwürde in Ihrem Land im Hinblick auf Aspekte der gesundheitlichen Versorgung und dem Zugang zu Medikamenten und Therapien. Besonders für die Diskussion in Kleingruppen können aktuelle und kritisch diskutierte Ereignisse aus den Nachrichten gute Aufhänger sein.

Informieren Sie sich über globale Gesundheits- und Menschenrechtsfragen. Besuchen Sie die Internetseiten einschlägiger NGOs wie Ärzte ohne Grenzen, Treatment Action Campaign (TAC), medico international oder die Webseite der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Informieren Sie sich über Aktionen zu Gesundheitsthemen in Ihrem Land und listen Sie sie auf einem Flipchart auf. Diskutieren Sie, welche Personen hier angesprochen oder eben auch nicht berücksichtigt werden, wie unterschiedlich die Bedingungen sind, in denen Personen diese Angebote erleben und wahrnehmen können.

Die TAC hat eine sehr erfolgreiche Kampagne durchgeführt und ist in Südafrika und darüber hinaus noch immer sehr aktiv. Leider haben nicht alle Kampagnen den gleichen Erfolg. Dafür kann es viele Gründe geben, möglicherweise schlechte Organisation oder erfolglose Öffentlichkeitsarbeit. Die Gruppe kann sich darüber informieren und mithilfe der Übung „Der wahre Preis der Kleidung“ oder „Dosta!“ auf ihre Fähigkeit zur Durchführung von Kampagnen schulen.

Ideen zum Handeln

Recherchieren Sie die aktuelle Situation von HIV/AIDS-infizierten Menschen in Ihrem Umfeld und passen Sie die Übung – insbesondere in der Nachbereitung – entsprechend an. Laden Sie HIV/AIDS-Aktivist*innen zu einem Informationsgespräch über ihre Arbeit ein.

Forschen Sie danach, wer in Ihrem Umfeld Aktionen zu Gesundheitsthemen unterstützt und wie Sie einen Beitrag leisten können.

Weitere Informationen

Diese Aktivität beruht auf einem Fall, der 2001 vor dem Obersten Gerichtshof Südafrikas verhandelt wurde. Pharmahersteller verklagten den Staat Südafrika wegen Missachtung ihrer Patentrechte auf HIV-Medikamente und wegen des Imports billiger Generika zur Behandlung von Millionen an AIDS erkrankter Bürger*innen.

Auf der einen Seite berief sich die Vereinigung der Pharmahersteller auf das Recht auf Eigentum, Gleichheit oder Handels- und Geschäftsfreiheit und der freien Berufswahl, während auf der anderen Seite die Regierung und TAC reklamierten, dass es die Pflicht des Staates sei, die Grundrechte seiner Bürger*innen auf Menschenwürde und auf Leben zu respektieren, zu schützen, zu fördern und zu gewährleisten.

Im Laufe des Prozesses gab es eine außergerichtliche Einigung. Die Unternehmen zogen ihre Klage gegen den Staat Südafrika zurück und haben zugesagt, auch die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Pharmaunternehmen erkannten an, dass ein nationaler Gesundheitsnotstand herrscht. Südafrika sicherte in der Einigung zu, die Pharmakonzerne in die Suche nach einer preisgünstigen Lösung einzubeziehen. Die Unternehmen verlieren auf diese Weise nicht völlig ihren Einfluss auf die eigenen Patente.

HIV- infizierte und AIDS- kranke Menschen brauchen dringend Medikamente für die Unterdrückung der Krankheit und ihre Behandlung, wenn der HI-Virus ausgebrochen ist. Diese Medikamente sind teuer. Die Kosten dafür werden nicht in allen Ländern und für alle Menschen vom Staat beziehungsweise von den Krankenkassen übernommen. Viele Menschen in Ländern des Globalen Südens haben keine Möglichkeit, an diese Behandlung zu kommen und können sie sich oft nicht leisten.

Arbeitsblätter

Zum Seitenanfang springen