Übungen

Wählen oder nicht wählen?

„Sie müssen die Rechte von Minderheiten respektieren und in einem Geist der Toleranz und des Kompromisses gemeinsam arbeiten. Sie müssen die Interessen ihres Volkes und die legitimen Funktionen des politischen Prozesses über ihre Partei stellen. Ohne diese Zutaten machen Wahlen allein keine echte Demokratie.“

Barack Obama 
ehem. US-Präsident (geboren 1961)

Überblick

Themen
  • Demokratie
  • Politische Partizipation
  • Menschenrechte allgemein
Komplexität

Stufe 4

Gruppengröße

Beliebig

Zeit

270 Minuten

Überblick

Die Übung umfasst eine Umfrage in der Gemeinde zum Thema Wahlbeteiligung

Fokus
  • Das Recht, sich an der Regierung des Landes und an freien Wahlen zu beteiligen
  • Das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung
  • Das Recht auf Information
Ziele
  • Kenntnisse zum Wahlrecht und seinem Wert erlangen
  • Informationen kritisch recherchieren und mit der Lebensrealität von Menschen in Bezug setzen
  • Die persönlichen Entscheidungen und Beiträge aller Bürger*innen einer Demokratie wertschätzen
Materialien
  • Pro Zweiergruppe je 1 Fragebogen A und B
  • Pro Zweiergruppe je 1 Kopie der „Anmerkungen zur Durchführung der Umfrage“
  • Kugelschreiber oder Bleistifte für alle
  • Großformatiges Papier (A3) oder Flipchart-Papier und Marker
  • Klebeband
Vorbereitung
  • Kopieren Sie das Fragebogen-Beispiel auf ein großes Blatt Papier als Hilfe für die Anleitung.
  • Übertragen Sie die Fragebögen A und B auf Flipchart-Papier, um die Resultate darin zusammenzutragen.
  • Stellen Sie einen Zeitplan für die Übung auf. Sie brauchen 60 Minuten für Teil 1 (Einführung in die Umfrage), mindestens 120 Minuten für Teil 2 (die Umfrage) und 90 Minuten für Teil 3 (Ergebnisanalyse und Auswertung).

Durchführung

Anleitung

Teil 1: Einführung in die Umfrage
  1. Erklären Sie den Teilnehmer*innen (TN), dass der erste Teil der Übung sie auf das Thema Wahlrecht und eine Befragung einstimmen soll, die sie im zweiten Teil der Übung durchführen sollen.
  2. Tragen Sie in der Gruppe zusammen, was die TN über das Wahlrecht und die Bedingungen für die Teilnahme an Wahlen wissen (etwa Alter, Staatsbürgerschaft).
  3. Fragen Sie die TN, ob sie, wenn sie dürften, bei der nächsten Bundestags- oder Kommunalwahl ihre Stimme abgeben würden oder nicht. Erheben Sie dies anonym, zum Beispiel auf Zetteln: „X“ bedeutet, ich würde wählen, „O“ bedeutet, ich würde nicht wählen. Teilen Sie das Gesamtergebnis der Gruppe mit.
  4. Bitten Sie die Gruppe, mögliche Gründe für das Wählen beziehungsweise Nicht-Wählen auf einem großen Bogen Papier aufzulisten. Alternativ können Sie diese Informationen auch auf dem anonymen Zettel abfragen.
  5. Verteilen Sie an jede Person Kopien der Fragebögen A und B für die nun anstehende Befragung. Erklären Sie diese exemplarisch an dem größer kopierten Fragebogen, den Sie vorher angefertigt haben. Fragebogen A dient der Erfassung der Nichtwähler*innen, Fragebogen B denen der Wähler*innen. Machen Sie darauf aufmerksam, dass sich die Fragebögen nur im zweiten Teil unterscheiden. Gehen Sie die Fragen durch und vergewissern Sie sich, dass alles verstanden wurde.
  6. Erklären Sie, dass die Antworten der Befragungsteilnehmer*innen als Striche auf den Fragebögen festgehalten werden und dies aus Gründen der besseren Lesbarkeit in Form einer Strichliste in 5er-Päckchen geschehen soll.
  7. Bitten sie die TN nun, für die Befragungen Zweiergruppen zu bilden. Verteilen Sie pro Zweiergruppe je eine Kopie der „Anmerkungen zur Durchführung der Umfrage“. Gehen Sie diese durch und klären Sie folgende Fragen:
    1. Wie lässt sich sicherstellen, dass die Interviewpartner*innen nach dem Zufallsprinzip ausgewählt werden?
    2. Wie viele Personen soll jedes Paar befragen? (Je mehr, desto besser!)
    3. Wann und wo wird die Umfrage durchgeführt? Einigen Sie sich je nach Anzahl der Befragungsteams auf Straßen oder Plätze, damit die Teams nicht um Befragende konkurrieren müssen und diese sich nicht durch mehrfaches Ansprechen belästigt fühlen.
    4. Wann treffen sich alle wieder, um die Ergebnisse zu besprechen?
Teil 2: Die Umfrage

Wenn allen klar ist, wie die Befragung durchgeführt und die Antworten aufgezeichnet werden, kann die Befragung beginnen.

Teil 3: Ergebnisanalyse

Nach Beendigung der Umfrage treffen sich die TN, um die Ergebnisse zusammenzutragen, zu analysieren und zu diskutieren. Dafür sollen 60 Minuten eingeplant werden.

  1. Zunächst zählen die Zweiergruppen ihre Summen in jedem Kasten zusammen und übertragen sie dann in die beiden großen Tabellen. Auf diese Weise können die Informationen aller Gruppen zusammengetragen und die Gesamtsumme errechnet werden. Die TN sollen auch über die Begründungen der Interviewten berichten. Falls hier der Platz nicht ausreicht, hängen Sie ein Blatt dazu. Mehrfachnennungen einzelner Gründe werden wieder mit der Methode 5er-Päckchen dargestellt.
  2. Sind alle Informationen komplett, bitten Sie die TN, folgende Verteilungen zu ermitteln:
    1. Die Gesamtzahl der befragten Personen
    2. Die Anteile der Wähler*innen und der Nichtwähler*innen an der Gesamtzahl
    3. Die Anteile der Befragten nach Altersgruppen
    4. Kennzeichnen Sie die Altersgruppe mit den wenigsten Wähler*innen und die mit den meisten Wähler*innen
    5. Die am häufigsten genannten Gründe derjenigen, die nicht wählen gingen und die Gründe derer, die wählen gingen
    6. Ob die Gründe von Wähler*innen wie Nichtwähler*innen häufiger mit der zu Wahl stehenden Personen oder mit den Parteien zusammenhängen
  3. Gehen Sie dann zur Auswertung über.

Nachbereitung und Auswertung

Sprechen Sie bei der allgemeinen Diskussion über die Ergebnisse zum Beispiel folgende Fragen an:

  • Wie war es, am Anfang selbst Auskunft zu geben über das eigene Wahlverhalten?
  • Wie war es darüber zu sprechen? Kann ein Austausch über die Begründungen dazu beitragen, Informationen zu bekommen oder Unzufriedenheiten zu bearbeiten?
  • Wie war es für die Gruppen, fremde Personen anzusprechen und zu diesem Thema zu befragen? Wie haben die Personen reagiert?
  • Hat die Gruppe das Gefühl, einen repräsentativen Teil der Gesamtbevölkerung befragt zu haben?
  • Glauben die TN, dass die Personen immer ehrlich geantwortet haben? Wie kann mit der Schwierigkeit der sogenannten „sozialen Erwünschtheit“ umgehen, dass also Personen so antworten, wie sie glauben, dass es gesellschaftlich erwünscht ist?
  • Welche Schwierigkeiten treten auf, wenn man aus den Ergebnissen der Gruppen Schlüsse auf die Gesamtbevölkerung ziehen will? Wie kann hiermit umgegangen werden?
  • Gab es besonders überraschende Zahlen und Verteilungen?
  • Gab es bei den genannten Gründen unerwartete Aussagen?
  • Würden die TN bei der nächsten Umfrage irgendetwas anders machen?
  • Wenn die Gruppe aus ihren Erkenntnisse Schlussfolgerungen ziehen will: Welche sind dies und wie nutzbar und verlässlich sind sie?
  • Wie viel Misstrauen ist gegenüber Umfragen und Statistiken angebracht? Welche Aspekte sind hier zu beachten?
  • Wie ist jetzt die Haltung in der Gruppe zum eigenen Wahlverhalten? Würde jemand seine Meinung nun überdenken oder ändern (in der einen oder der anderen Richtung)? Wenn ja, welche Argumente waren dafür ausschlaggebend?
  • Ist Wählen ein Menschenrecht? Wenn ja, wie ist Demokratie in den verschiedenen Menschenrechtsinstrumenten verankert?

Tipps für die Moderation

Einführung

Teil 1, der mit einem Austausch zum Wahlrecht beginnt und dann die Teilnehmer*innen auffordert, ihr eigenes Wahlverhalten zu reflektieren, soll die Grundlage für die tatsächliche Umfrage (Teil 2) legen. Es ist wichtig zu betonen, dass es darum geht, eine Auseinandersetzung mit der eigenen Haltung zum Wahlrecht anzustoßen, sich über die Beweggründe von (Nicht)Wähler*innen klar zu werden und eigene Möglichkeiten der Mitbestimmung zu identifizieren. Machen Sie klar, dass es nicht darum geht, Menschen zu beeinflussen, zu überzeugen oder ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen. Versuchen Sie deswegen, die Diskussion in der
Gruppe objektiv und kurz zu halten.

Wenn Sie darüber sprechen, wie man ein Interview durchführt (Punkt 7), sollten Sie die Schwierigkeiten berücksichtigen, denen die Gruppe bei der Durchführung einer solchen Umfrage begegnen kann und die TN darauf vorbereiten. Je nach Umfeld fühlen sich die Leute vielleicht unbehaglich, wenn sie von Unbekannten auf der Straße ausgefragt werden. Auch kann es vorkommen, dass Personen die Fragestellungen nicht verstehen oder eine Diskussion über ihre Gründe der (Nicht)Wahl beginnen. Hier ist es wichtig im Vorfeld über Umgangsmöglichkeiten zu sprechen. Je nach Teilnehmer*innen und Gegebenheiten vor Ort kann es sinnvoll sein, die Befragung im Freundes- und Bekanntenkreis, im Verein etc. durchzuführen und die Auswertung in einem weiteren Treffen vorzunehmen. Dies sollte bei der Frage, wie repräsentativ die Umfrage war, berücksichtigt werden.

Eine weitere Variante wäre, dass eine Person aus der Zweiergruppe befragt und die andere Person die Daten aufnimmt.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Befassen Sie sich mit den Hintergrundinformationen über Demokratie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB) und recherchieren Sie zur Entwicklung des Wahlrechts und Bedingungen der Teilnahme an Wahlen in Ihrem Land. Wie haben sich die Möglichkeiten für einzelne Personengruppen verändert? Welche Gruppen in Ihrer Gesellschaft dürfen bis heute nicht wählen (zum Beispiel Kinder, Eingewanderte, Gefangene)? Tragen Sie hierzu verschiedene Perspektiven zusammen und diskutieren Sie diese.

In einer demokratischen Gesellschaft finden Menschen viele Gelegenheiten, sich für Themen zu engagieren, von denen sie betroffen sind. Die Übungen „Kraftwerk“ und „Unsere Zukunftsaussichten“ bieten Gelegenheit, über Möglichkeiten sozialer Veränderung nachzudenken.

Ideen zum Handeln

Organisieren Sie eine Informationsveranstaltung, bei der Sie über das Wahlrecht, die Bedingungen und Möglichkeiten der Mitbestimmung informieren. Berücksichtigen Sie hierbei auch Personengruppen, die aktuell nicht an Wahlen teilnehmen können und bieten Sie Möglichkeiten zum Austausch. Vielleicht ist es möglich, hierzu Expert*innen aus Ihrem Wahlkreis oder Ihrer Kommune dazu einzuladen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Weitere Informationen

Interessieren Sie sich für Dotmocracy als Instrument zur Förderung der Wahlbeteiligung? Dotmocracy, auf Deutsch “Mehrpunktentscheidung”, ist ein gleichberechtigter und partizipativer Entscheidungsprozess für Gruppen und eine eingeführte Moderationsmethode. Die Teilnehmer*innen tragen ihre Ideen zusammen und verteilen je nach ihrem Standpunkt Punkte dafür.

Arbeitsblätter

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