Übungen

Positionen zur Wahl

„Ich missbillige, was Sie sagen, aber ich werde bis zum Tod Ihr Recht verteidigen, es zu sagen.“

Evelyn Beatrice Hall 
britische Schriftstellerin, die unter dem Pseudonym Stephen George Tallentyre veröffentlichte (1868-1956)

Überblick

Themen
  • Demokratie
  • Politische Partizipation
  • Menschenrechte allgemein
Komplexität

Stufe 2

Gruppengröße

Beliebig

Zeit

60 Minuten

Überblick

Diese Übung verlangt viel Diskussion. Es geht um:

  • Rechte und Pflichten in der Demokratie
  • Kommunikations- und Argumentations- beziehungsweise Diskussionskompetenz
Fokus
  • Das Wahlrecht
  • Das Recht, an der Gestaltung öffentlicher Angelegenheiten mitzuwirken
  • Das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung
Ziele
  • Sich mit umstrittenen Aspekten der demokratischen Gesellschaft auseinandersetzen
  • Die eigene Meinung weiterentwickeln
  • Zuhören, diskutieren und argumentieren lernen
Materialien
  • eine lange Wand oder Mauer und 2 Stühle
  • Karton (DIN A4) und farbige Stifte für die Schilder
  • Klebeband
  • Kleine Kärtchen und Stifte für Notizen
Vorbereitung
  • Je nach Gruppengröße bietet sich an, diese Übung in einem großen Raum, einem langen Flur oder im Freien durchzuführen.
  • Fertigen Sie zwei Schilder an, auf die Sie „Ich stimme zu“ und „Ich stimme nicht zu“ schreiben, und kleben Sie diese mit einem großen Abstand dazwischen an eine lange Wand (im Freien befestigen Sie sie zum Beispiel an zwei Bäumen). Zwischen den Schildern muss genug Platz sein, sodass sich die Teilnehmer*innen in gerader Reihe aufstellen können.
  • Stellen sie zwei Stühle in die Mitte des Raums, etwa einen halben Meter voneinander entfernt. Es muss genügend Platz sein, um darum herumzugehen. Die Stühle sollen die Gruppe nicht beim Aufstellen zwischen den Schildern behindern.
  • Wählen Sie aus den Vorschlägen unten eine Aussage aus oder denken Sie sich selbst eine aus.

Durchführung

Anleitung

  1. Verweisen Sie auf die zwei Schilder und erklären Sie den Teilnehmer*innen (TN), dass Sie eine Aussage vorlesen werden, der man mehr oder weniger zustimmen kann.
  2. Lesen Sie die gewählte Aussage vor.
  3. Die TN sollen sich zwischen den beiden Schildern positionieren, je nachdem, wie weit sie der Aussage zustimmen oder nicht. Sind sie sich in ihrer Meinung nicht so absolut sicher, suchen sie sich einen Platz zwischen den Schildern.
  4. Haben alle ihren Platz in der Reihe gefunden, bitten Sie die beiden Personen ganz außen zu erläutern, warum sie diese Position eingenommen haben; wollen sich die Angesprochenen nicht äußern, sprechen Sie die Nachbar*innen auf ihre Position an. Bitten Sie diese zwei Personen auf den Stühlen Platz zu nehmen.
  5. Geben Sie ihnen je eine Minute Zeit, ihre Zustimmung zu der Aussage oder ihre Ablehnung zu begründen. Niemand soll sie unterbrechen oder das Gesagte kommentieren. Alle hören still zu.
  6. Nach einer Minute bitten Sie die andern, sich hinter eine der sprechenden Personen zu stellen (niemand darf unentschieden bleiben), sodass eine Gruppe „für“ die Aussage ist und eine „dagegen“. Geben Sie beiden Gruppen zehn Minuten Zeit, Argumente zu sammeln, die ihre Position stützen, und eine zweite Person zu wählen, die diese Argumente anschließend vorträgt.
  7. Nach zehn Minuten kommen die Gruppen wieder zusammen. Die beiden neuen Sprecher*innen setzen sich auf die Stühle und versammeln ihre „Unterstützer*innen“ um sich.
  8. Geben Sie den Sprecher*innen jeweils drei Minuten, ihre Argumente vorzutragen. Danach dürfen die Unterstützer*innen die Seite wechseln, falls sie die Ansicht der anderen Gruppe überzeugend fanden.
  9. Geben Sie den Gruppen weitere fünf Minuten, um getrennt voneinander an ihren Argumenten zu arbeiten und eine*n dritte*n Sprecher*in zu benennen. Wieder dürfen die Personen nach den Vorträgen die Position wechseln, wenn sie wollen.
  10. Die Gruppen kommen zur Auswertung zusammen.

Nachbereitung und Auswertung

Nun setzen Sie sich über den formalen Ablauf und den Sinn von Diskussionen auseinander und sprechen über die Vorteile, unterschiedliche Perspektiven auszutauschen. Achten Sie darauf, dass nicht erneut über das Thema selbst diskutiert wird.

  • Hat jemand im Laufe der Diskussion seine Meinung geändert oder erst eine Meinung zu diesem Thema entwickelt? Wenn ja, aufgrund welcher Argumente?
  • Fiel es schwer, sich einer Position zuzuordnen? Wenn ja, warum? Welche Informationen hätten die TN benötigt, um sich leichter zuzuordnen?
  • Wurden die TN neben den vorgebrachten Argumenten auch von anderen Dingen beeinflusst, etwa von Gruppenzwang, emotionaler Sprache oder Konkurrenzgedanken?
  • Sehen diejenigen, die im Laufe der Diskussion ihre Meinung nicht geändert haben, im Austausch dieser Argumente einen Sinn? Welche Argumente und welche Art der Diskussion könnten ihre Ansicht am ehesten ändern? Bei welchen Aspekten könnten sie sich einen Wechsel vorstellen?
  • Warum haben Menschen unterschiedliche Meinungen? Wie soll man in einer demokratischen Gesellschaft damit umgehen?
  • Sollen in einer Demokratie wirklich alle Meinungen toleriert werden?
  • Wie war es, in den Diskussionen von einer anderen Person vertreten zu werden? Und umgekehrt: Wie war es, als Sprecher*in die Ansichten der Unterstützer*innen zu vermitteln?
  • Fühlen sich die TN in der lokalen und nationalen Politik mit ihren Perspektiven vertreten? Werden sie auch in Organisationen, Verbänden oder an der Schule vertreten und wie gestaltet sich dies? Um welche Menschenrechte ging es bei dieser Übung?

Tipps für die Moderation

Einführung

Das Aufstellen, als erster Teil der Übung, sollte nicht länger als ein paar Minuten dauern. Hier geht es lediglich darum, die eigene „Ausgangsposition“ festzulegen und zu sehen, wo man im Vergleich mit den andern steht.

Mit dieser Übung soll nicht nur über die Themen selbst nachgedacht, sondern auch Kommunikations- und Diskussionskompetenz eingeübt werden. Deshalb sollten Sie Anstöße geben, nicht nur über Inhalt und Darstellung der eigenen Meinung nachzudenken, sondern auch über die Art oder die Form der Argumente. In der Verschnaufpause zwischen den „Reden“ sollen die Positionen und Argumente der anderen eingeschätzt und mögliche Reaktionen darauf vorbereitet werden.

Vielleicht gibt es außer den vorgeschlagenen noch weitere Themen, die sich ebenso gut als Diskussionsanstoß eignen. Wichtig ist nur, dass die Aussage innerhalb der Gruppe kontrovers diskutiert wird. Beachten Sie in der Moderation, dass es Themen gibt, die sich für diese Übung nicht eignen, weil sich TN aufgrund der eigenen Lebenssituation oder einer hohen Sensibilität für das Thema nicht wohlfühlen, zum Beispiel Gründe für eine Flucht, Kritik an Migrant*innen oder grundsätzliche Zuschreibungen und Stereotype über Personen und Gruppen.

Anmerkung: Es dauert etwa 30 Minuten, eine Aussage in mehreren Runden zu diskutieren. Für mehrere Aussagen brauchen Sie entsprechend mehr Zeit. Die genaue Reihenfolge sollte möglichst flexibel bleiben, je nach Gruppe und Lebendigkeit der Diskussion. Zum Beispiel:

  • Legen Sie ein oder zwei zusätzliche Pausen ein, damit die Gruppen ihre Argumente vorbereiten können. Dann können auch die Sprecher*innen wechseln und mehr Personen haben die Gelegenheit, ihre Ansichten darzulegen.
  • Wenn Sie diese Aktivität mit der Gruppe schon einmal durchgeführt haben – und selbst, wenn nicht –, können Sie ein Überraschungsmoment einbauen, indem sie die beiden ersten Sprecher*innen nicht vom äußersten Rand der Reihe, sondern von weiter innen auswählen – zum Beispiel die dritte Person von rechts und von links.

Geben Sie den Sprecher*innen einen Zettel oder eine Karteikarte, auf dem sie sich kurze Notizen machen können, um sich besser an die verschiedenen Argumente zu erinnern und beim Vortragen darauf zurückzugreifen.

Werfen Sie die Frage auf, ob dem „Pluralismus“ oder der „Freiheit der Meinungsäußerung“ in einer toleranten Gesellschaft irgendwelche Grenzen gesetzt werden sollen. Sollen zum Beispiel faschistische oder nationalistische Meinungsäußerungen, auch in Form von Demonstrationen, erlaubt sein?

Vorschläge zur Weiterarbeit

Wenn Sie die Frage, wie Meinungen – insbesondere in den Medien – gemacht werden oder sich ändern, weiterverfolgen wollen, dann können Sie die Übung „Titelseite“ durchführen.

Ideen zum Handeln

Wenn Sie sich für die Aussage zu Wahlen entscheiden, können Sie der Übung einen Überblick über das Wahlverhalten in Ihrem Wahlkreis folgen lassen. Siehe die Aktivität „Wählen oder nicht wählen?“

Weitere Informationen

Der 19. September ist der Tag des Wahlrechts. 1893 hat Neuseeland an diesem Tag das Frauenwahlrecht und damit als erstes Land der Welt ein allgemeines Wahlrecht eingeführt.

Aussagen zu Diskussionen:

  • Wählen sollte Pflicht sein.
  • Wir sollten alle Gesetze befolgen, selbst wenn sie ungerecht sind.
  • Die Einzigen, die in einer Demokratie Macht haben, sind die Politiker*innen.
  • Die Einzige, die in einer Demokratie Macht hat, ist die Wirtschaft.
  • Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient.
  • Die Bürger*innen haben die Pflicht, das politische Tagesgeschäft zu verfolgen.
  • Freie Meinungsäußerung bedeutet, alles sagen zu können, was man will.
  • Radikale Parteien sollten verboten werden.
  • Extremist*innen sollten nicht öffentlich sprechen dürfen.
  • Vertreter*innen von Personengruppen sollen deren Meinungen und Perspektiven weitergeben und sich mit ihrer persönlichen Perspektive zurückhalten.
  • Die Mitbestimmung in lokalen Gremien wie Schulvertretung und Jugendparlament darf keine Scheinbeteiligung sein. Diese Gremien sollten nicht nur beratende Funktion haben, sondern auch Entscheidungsmacht.
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