Übungen

Jede Meinung zählt

„Lernen heißt, an Veränderung glauben.“

Paulo Freire 
brasilianischer Pädagoge und Autor (1921–1997)

Überblick

Themen
  • Bildung
  • Politische Partizipation
  • Kinder
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

8–50 Personen (in Kleingruppen: 4–5 Personen)

Zeit

150 Minuten

Überblick

Dies ist eine Diskussionsübung in Kleingruppen und im Plenum.
Es geht um:

  • die Frage, was Bildung ist und in welchem Verhältnis sie zu den Bedürfnissen von Menschen steht
  • Mitbestimmung in Entscheidungsfindungsprozessen
Fokus
  • Das Recht auf Bildung einschließlich des Rechts auf Menschenrechtsbildung
  • Das Recht auf Freiheit der Meinung und der Meinungsäußerung
  • Das Recht auf Beteiligung
Ziele
  • Nachdenken über das Bildungssystem und wie es den Bedürfnissen der Menschen entgegenkommt
  • Zusammenarbeit lernen und sich an der demokratischen Entscheidungsfindung auf Schul- und Vereinsebene beteiligen
  • Bewusstsein für Gerechtigkeit und Teilhabe fördern
Materialien
  • Je 4 große Bogen Papier oder Flipchart-Papier und Stifte pro Vierergruppe
  • Zusätzliches Papier für Notizen, falls gewünscht
Vorbereitung
  • Kopieren Sie das Arbeitsblatt je 1x pro Kleingruppe

Durchführung

Anleitung

Diese Aktivität hat zwei Teile. Teil 1 (60 Minuten) ist eine Diskussion darüber, wie Bildung gestaltet sein soll. In Teil 2 (60 Minuten) wird diskutiert, wie demokratische Systeme beschaffen sein müssen, damit die Lernenden über Bildung mitbestimmen können.

Teil 1: Welche Bildung wollen wir? (60 Minuten)
  1. Beginnen Sie mit einer kurzen allgemeinen Diskussion über den Begriff „Bildung“. Weisen Sie die Teilnehmer*innen (TN) darauf hin, dass Bildung mehr ist als das, was in der Schule oder Hochschule gelehrt wird. Gehen Sie auf die Unterschiede zwischen formaler, informeller und nicht-formaler Bildung ein. Die TN sollten wissen, dass der Anspruch auf Bildung ein Menschenrecht ist.
  2. Lassen Sie die Gruppe in einem Brainstorming über positive und negative Seiten des Bildungssystems hierzulande nachdenken. Schreiben Sie die wichtigsten Stichworte auf Flipchart-Papier.
  3. Gehen Sie die Stichworte kurz durch; die TN sollen überlegen, warum das Bildungssystem in den angeführten Punkten so ist, wie es ist, zum Beispiel Lehrpläne, Klassengrößen, Schulregeln und außerschulische Aktivitäten.
  4. Dann werden Kleingruppen zu 4 bis 5 Personen gebildet. Verteilen Sie Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK). Geben Sie den Gruppen 15 Minuten Zeit, um einzuschätzen, wie das Recht auf Bildung umgesetzt ist. Ist zum Beispiel die Grundbildung für alle Kinder in ihrer Gesellschaft frei zugänglich und kostenlos? Wenn nicht, wer ist davon ausgeschlossen und warum? Welche disziplinarischen Maßnahmen gibt es und wird dabei die Würde aller Schüler*innen respektiert? Fördert der Lehrplan die Entwicklung der Persönlichkeit, Begabungen und Fähigkeiten aller? Worum geht es bei Bildung vor allem, beispielsweise um die Erziehung zu guten Staatsbürger*innen oder zu qualifizierten Arbeitskräften? Gibt es auch Menschenrechtsbildung?
  5. Treffen Sie sich wieder im Plenum und bitten Sie die Gruppen, ihre Ergebnisse vorzustellen.
Teil 2: Wie müssen demokratische Systeme beschaffen sein, damit die Lernenden über ihre Bildung mitbestimmen können? (60 Minuten)
  1. Fragen Sie die TN, wer über ihren Bildungsweg entscheidet.
  2. Die Kleingruppen aus Teil 1, Punkt 4 kommen wieder zusammen, um darüber zu sprechen, wie an ihrer Schule Entscheidungen getroffen werden. Zum Beispiel: Wer entscheidet über Lerninhalte und außerschulische Aktivitäten? Wie wird die Schule oder Hochschule verwaltet? Wie werden Entscheidungen über Budgets und Ausgaben getroffen? Wie werden Strategien und Politikmaßnahmen entwickelt und entschieden? Welche Möglichkeiten der Mitbestimmung haben die Lernenden?
  3. Erläutern Sie, dass Menschen nicht nur ein Recht auf Bildung haben, sondern auch, dass ein Kind beziehungsweise Jugendlicher gemäß Artikel 12 der KRK „das Recht [hat], seine Ansicht zu allen es betreffenden Angelegenheiten frei zu äußern“, und dass „die Meinungen des Kindes (…) angemessen berücksichtigt werden“ sollen.
  4. Bitten Sie die Gruppen, sich Gedanken zu machen über die positiven und negativen Aspekte eines demokratisch gewählten Entscheidungsgremiums, zum Beispiel eines Schulparlaments.
  5. Die nächste Phase hängt von den konkreten Umständen ab. Gibt es an Ihrer Bildungseinrichtung keine Schüler*innenvertretung beziehungsweise kein Gremium, durch das die Lernenden vertreten werden, dann sollen die Gruppen überlegen, wie nach ihren Vorstellungen solche Gremien aussehen sollen und wie sie diese etablieren können. Gibt es bereits eine Schüler*innenvertretung, sollen sie deren Arbeit beurteilen und Verbesserungsvorschläge machen. Erklären Sie, wie eine SWOT-Analyse gemacht wird, und geben Sie den Gruppen 30 Minuten, um einen Aktionsplan zu entwickeln (siehe dazu auch Kapitel 3 „Aktiv werden für Menschenrechte“ (PDF, 1,1 MB)). Diesen sollen sie auf Flipchart-Papier festhalten.
  6. Treffen Sie sich wieder im Plenum und bitten Sie die Gruppen, ihre Ergebnisse vorzustellen.

Nachbereitung und Auswertung

Viele Punkte werden schon bei vorausgegangenen Diskussionen zur Sprache gekommen sein. Nehmen Sie sich trotzdem Zeit, die Aktivität insgesamt zu beurteilen, über Lernen allgemein nachzudenken und zu planen, was als Nächstes kommt.

  • Hat die Übung Spaß gemacht? War sie nützlich? Warum (nicht)?
  • Warum sind Entscheidungsstrukturen so und nicht anders? Wie war das früher? Haben die Strukturen in der Vergangenheit ihre Funktion erfüllt? Tun sie es heute? Wenn nicht, warum nicht?
  • Warum müssen Entscheidungsstrukturen und -prozesse regelmäßig überprüft werden?
  • Wie lassen sich die verschiedenen Aktionspläne der Gruppen vergleichen?
  • Was erfordern sie an Zeit, Mühe und Geld?
  • Wie realistisch waren sie? (Anmerkung: Visionen sind wichtig, doch um ans Ziel zu gelangen, muss ein Schritt nach dem andern gemacht werden!)
  • „Das Kind hat das Recht, seine Meinung in allen es betreffenden Angelegenheiten frei zu äußern, und darauf, dass seine Meinungen angemessen berücksichtigt werden.“ Ist dies eine realistische Forderung in Bezug auf Lehrpläne? Wie können sich junge Menschen einbringen?
  • Inwieweit gilt Artikel 12 im Klassenzimmer? Wie viel Zeit sollte man haben, um die eigene Meinung frei zu äußern?
  • Das Recht auf Bildung wird manchen Gruppen, zum Beispiel geflüchteten Kindern oder Kinder mit Behinderungen, häufig verwehrt. Warum ist das so und wie könnte der Zugang zu Bildung erleichtert werden?
  • Wie findet Menschenrechtsbildung im Umfeld der TN statt? Lernen sie etwas über Menschenrechte und die verschiedenen Konventionen? Können sie sich an ihrer Schule und in ihrem Umfeld an Projekten zur Förderung der Menschenrechte beteiligen?

Tipps für die Moderation

Einführung

Diese Übung bezieht sich zwar auf Schulen und Hochschulen und erwähnt Vertretungsgremien für Schüler*innen und Studierende. Dies soll jedoch niemanden abhalten, der in einem nicht-formalen Umfeld arbeitet; die Übung ist genauso relevant für junge Menschen in Jugendvereinen und Verbänden. Passen Sie einfach die verwendeten Begriffe an.

Machen Sie sich mit den Artikeln 12 und 28 der UN-KRK vertraut. Wenn Sie mit jungen Erwachsenen über 18 arbeiten, dann beziehen Sie sich auf das Recht auf Bildung in der AEMR (Artikel 26) und im Sozialpakt (Artikel 13).

In Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB) finden Sie allgemeine Informationen über Bildung, unter anderem zu den Unterschieden zwischen formaler, nicht-formaler und informeller Bildung. Die SWOT-Analyse und Aktionspläne sind in Kapitel 3 „Aktiv werden für Menschenrechte“ (PDF, 1,1 MB) beschrieben und erklärt.

Wozu braucht man eine Schüler*innenvertretung?

Eine Schüler*innenvertretung repräsentiert die Schüler*innen in allen sie direkt betreffenden schulischen Angelegenheiten. Es gibt viele gute Gründe, Schüler*innenvertretungen beziehungsweise andere Gremien der Beteiligung aufzustellen und dafür zu sorgen, dass sie etwas bewirken können. Als Argumente werden etwa genannt: Demokratieförderung, effektive Entscheidungen, erhöhtes Verantwortungsbewusstsein, bessere Atmosphäre. Es ist zugleich wichtig zu betonen, dass Beteiligung ein eigenständiges Recht ist, und dementsprechend einen kontinuierlichen, verbindlichen Prozess benötigt.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Lassen Sie die Gruppe an den Ideen weiterarbeiten, die in dieser Aktivität aufgekommen sind. Mit den Tipps aus dem Kapitel 3 „Aktiv werden für Menschenrechte“ (PDF, 1,1 MB) können sich die TN für mehr Mitbestimmung an ihrer Schule, Hochschule oder in ihrem Verein einsetzen.

Wenn es den TN Spaß gemacht hat, sich zu überlegen, welche Art von Bildung sie gut finden, dann gefällt ihnen vielleicht auch das Brettspiel „Geschichte zweier Städte“. Dort geht es um die Frage, wie die Stadt aussehen soll, in der sie wohnen möchten. Wenn sich die Gruppe mit allgemeinen Einstellungen zu Wahlen beschäftigen möchte, dann sehen Sie sich die Übung „Wählen oder nicht wählen“ an.

Ideen zum Handeln

Die TN können sich mit anderen Schülervertretungen in ihrer Region oder auf nationaler oder internationaler Ebene vernetzen und Informationen austauschen.

Weitere Informationen

Der Grad an Mitbestimmung junger Menschen hängt von ihrem Alter und von der Sache ab, über die entschieden wird. Ein nützliches Modell ist die Partizipationsleiter (siehe dazu auch Kapitel 5, politische Partizipation). Zu Partizipation von Kindern und Jugendlichen in Deutschland gibt auch eine Publikation des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

In vielen Ländern gibt es zunehmend mehr Möglichkeiten der direkten Mitbestimmung, zum Beispiel durch Bürgerhaushalte. Dass es sich dabei nicht nur um reine Konsultation handelt, sondern ein Ausdruck direkter Demokratie ist, zeigen zahlreiche Beispiele aus dem deutschsprachigen Raum.

Das Organising Bureau of European School Student Unions (OBESSU) ist die europäische Dachorganisation der Schülerorganisationen. Ihre Ziele sind:

  • die Interessen und Meinungen der Schüler*innen in Europa gegenüber Bildungseinrichtungen und Bildungsplattformen zu vertreten
  • Qualität und Verfügbarkeit von Bildung und politischer Bildung in Europa zu stärken und zu verbessern
  • die Bedingungen in den Sekundarschulen Europas verbessern, um mehr Solidarität, Zusammenarbeit und Verständnis unter den Schüler*innen zu fördern
  • Diskriminierung und Ungerechtigkeit innerhalb der Bildungssysteme in den europäischen Ländern zu beseitigen.

Arbeitsblätter

Zum Seitenanfang springen