Übungen

Erkenne die Barrieren

„Menschen sind nicht behindert, sie werden behindert“

Überblick

Themen
  • Menschen mit Behinderungen
  • Diskriminierung und Intoleranz
Komplexität

Stufe 2

Gruppengröße

6-36 Personen

Zeit

120 Minuten

Überblick

Diese Übung sensibilisiert für:

  • Barrieren, auf die Menschen mit Beeinträchtigungen in der Gesellschaft treffen
  • Die Wahrnehmung der Rechte von Menschen mit Behinderungen als Grundrechte
Fokus
  • Schutz vor Diskriminierung
  • Gleichheit an Würde und Rechten
  • Das Recht auf soziale Sicherheit
Ziele
  • Für Alltagsprobleme von Menschen mit Behinderungen sensibilisieren
  • Einfühlungsvermögen und Solidarität fördern
Materialien

Für die Einführung:

  • 1 Blatt Papier und 1 Stift pro Person

Für Teil 2 pro Paar:

  • 1 Stoffbeutel mit diversen Gegenständen, zum Beispiel einem Salatblatt, einem Bleistift, einem Stück Kreide, einem Blatt (von einem beliebigen Baum), einem farbigen Blatt Papier und einer Flasche oder Dose mit einem alkoholfreien Getränk
  • 1 Augenbinde
  • 1 Blatt Papier und 1 Stift

Für Teil 3 pro Paar:

  • 1 Situationskarte
  • 1 Blatt Papier und 1 Stift

Für Teil 4:

  • Je 1 Rollstuhl für 8 Personen
  • Platz für einen Hindernisparcours (ein zweiter Raum wäre am besten, ist aber nicht unbedingt notwendig. Man kann auch ins Freie gehen.)
  • Hindernisse, zum Beispiel Tische und Stühle, Holzbohlen, Zeitungsstapel
  • 1 großer Bogen Papier oder 1 Tafel und Marker
  • 1 Armband- oder Stoppuhr
Vorbereitung
  • Fertigen Sie die Situationskarten an. Wählen Sie eine der in dieser Übung vorgeschlagenen Situationen aus oder entwickeln Sie selbst eine.
  • Wenn Sie einen zweiten Raum haben, können Sie hier den Hindernisparcours herrichten. Oder gehen Sie ins Freie, wo Sie einen schwierigeren Parcours anlegen können.
  • Falls Sie im Haus bleiben, bauen Sie mit Tischen und Stühlen schmale Durchgänge. Holzbohlen oder alte Zeitungen auf dem Boden können schwieriges Gelände simulieren.

Durchführung

Anleitung

Diese Übung hat vier Teile: Teil 1: Einführung; Teil 2: Spaziergang mit verbundenen Augen; Teil 3: Zeichensprache; Teil 4: Rollstuhlparcours.

Teil 1: Einführung (10 Minuten)
  1. In dieser Übung geht es speziell um drei Beeinträchtigungen: Blindheit, Gehörlosigkeit, Mobilitätsbeeinträchtigung.
  2. Tauschen Sie sich mit den Teilnehmer*innen (TN) aus: Was wissen sie über Beeinträchtigungen, Behinderungen und Barrieren? (siehe weitere Informationen)
  3. Die TN sollen sich vorstellen, sie hätten eine (weitere) Beeinträchtigung, und ein paar Minuten überlegen, was dies für ihr Leben bedeuten würde und wie sie behandelt werden möchten und wie nicht. Lassen Sie sie ein paar Stichworte aufschreiben.
  4. Nun bitten Sie die TN auf dem Blatt zu notieren, was ihnen am meisten Sorge machen würde, wenn sie eine (weitere) Beeinträchtigung hätten.
  5. Anschließend drehen alle ihre Blätter um und bereiten sich auf den „Schritt in die Wirklichkeit“ vor.
Teil 2: Spaziergang mit verbundenen Augen
  1. Es werden Paare gebildet. Verteilen Sie die Augenbinden. Jeweils eine Person verbindet sich die Augen, die andere ist die Begleitperson. Die Begleitperson hat die Aufgabe, für die Sicherheit zu sorgen. Konzentrieren Sie sich auf den Spaziergang und versuchen Sie, nicht zu viel miteinander zu sprechen. Nicht alle Menschen sind bereit, sich die Augen verbinden zu lassen. Ermöglichen Sie es diesen TN, als Begleitperson zu agieren und bilden Sie die Gruppen dementsprechend.
  2. Die Begleitpersonen führen die „blinden“ Menschen fünf Minuten lang herum, wenn möglich auch treppauf und treppab oder ins Freie.
  3. Wenn alle wieder da sind, werden die „Blinden“ zu ihren Stühlen begleitet. Doch auf den Stühlen liegt eine Überraschung! Eine Tasche! Was ist da wohl drin?
  4. Die Nicht-Sehenden müssen den Inhalt identifizieren. Die Begleitpersonen schreiben auf, was sie geraten haben.
  5. Dann dürfen die „blinden“ TN die Augenbinden abnehmen und sich die Sachen ansehen. Fordern Sie die Paare auf, sich über ihre Erfahrungen und Überraschungen auszutauschen.
  6. Geben Sie allen ein paar Minuten Zeit, aus ihren Rollen zu schlüpfen, und gehen Sie dann zu Teil 3 über
Teil 3: Zeichensprache
  1. Die Paare tauschen die Rollen, die Begleitpersonen sind jetzt diejenigen mit einer Beeinträchtigung, und zwar sind sie gehörlos und kommunizieren nicht in Lautsprache, sondern mit Zeichensprache. Die anderen sind Personen, die nicht in der Zeichensprache kommunizieren können.
  2. Verteilen Sie an jede „gehörlose“ Person eine Situationskarte. Die Karten dürfen nicht hergezeigt werden. Die anderen bekommen ein Blatt Papier und einen Stift.
  3. Die Personen mit Beeinträchtigung müssen nun ihr Problem klar machen. Sie dürfen dabei nicht sprechen. Die anderen müssen aufschreiben, was sie zu verstehen glauben.
  4. Wenn die „gehörlosen“ Menschen ihr Anliegen per Zeichensprache erklärt haben, sollen sie der anderen Person ihre Situationskarte zeigen.
  5. Fordern Sie die Paare auf, ihre Absichten, Probleme und Frustrationen kurz zu besprechen.
  6. Geben Sie den TN etwas Zeit, um aus ihren Rollen zu schlüpfen.
Teil 4: Rollstuhlparcours
  1. Zeigen Sie den TN den Hindernisparcours. Aufgabe ist es, mit dem Rollstuhl so sorgfältig und achtsam wie möglich die Hindernisse zu überwinden beziehungsweise zu umfahren.
  2. Sammeln Sie die Erlebnisse und Empfindungen der TN auf dem großen Bogen Papier.
  3. Wenn alle, die es probieren wollen, dran gewesen sind, machen Sie eine kurze Pause. Gehen Sie dann zur Auswertung über.

Nachbereitung und Auswertung

Diese findet im Plenum statt. Gehen Sie zu Beginn die Teile 2, 3 und 4 der Übung durch und überlegen Sie dann, was die TN vorher bereits wussten und was sie durch Erfahrung gelernt haben.

  1. Beginnen Sie mit dem Spaziergang mit verbundenen Augen. Bitten Sie die „Blinden“ und die Begleitpersonen, ihre Reaktionen zu beschreiben:
    1. Wie fühlten sie sich bei dieser Übung?
    2. Was war schwierig?
    3. Wie schwer war es, jemandem zu vertrauen beziehungsweise für jemanden verantwortlich zu sein?
    4. Was wissen die TN über Blindheit und Sehbeeinträchtigungen, über Alltagsprobleme in Bezug dazu, aber auch über Brailleschrift und andere Unterstützungsmöglichkeiten? Was möchten sie noch erfahren?
    5. Unterstützungsmöglichkeiten? Was möchten sie noch erfahren?
  2. Dann überprüfen Sie Teil 2, die Zeichensprache:
    1. Wie fühlten sie sich bei dieser Übung?
    2. Was war schwierig?
    3. War es frustrierend, sich über Zeichen auszudrücken und nicht verstanden zu werden?
    4. Wie war es, das Gegenüber nicht zu verstehen?
    5. Was wissen die TN über Gehörlosigkeit und Schwerhörigkeit, über Alltagsprobleme in Bezug auf diese Beeinträchtigungen, aber auch über Gebärdensprache und andere Kommunikationsmöglichkeiten? In der Übung haben Sie nur Zeichen gemacht. Gebärdensprache ist eine eigenständige und komplexe Sprache, in der Menschen miteinander kommunizieren. Was möchten die TN noch erfahren?
  3. Als Nächstes überprüfen Sie den Rollstuhlparcours:
    1. Wie fühlten sie sich als Mensch mit eingeschränkter Mobilität?
    2. Was war schwierig?
    3. Was wissen sie über mobilitätseinschränkende Krankheiten, über Alltagsprobleme in Bezug auf diese Beeinträchtigungen, aber auch über Unterstützungsmöglichkeiten? Was möchten die TN noch erfahren?
  4. Kommen Sie nun auf die Befürchtungen und Erwartungen vom Anfang der Übung zurück. Die TN sollen sich die Stichworte ansehen, die sie aufgeschrieben haben:
    1. Haben sich einige ihrer Erwartungen während der Übung bestätigt?
    2. Welche Barrieren konnten sie identifizieren und welche Auswirkungen haben diese in der Realität?
    3. Wie haben sie versucht, ihre Partner*innen zu unterstützen? Konnten sie die Barrieren beseitigen oder überwinden?
    4. Wie schwer ist es einzuschätzen, ob und wie viel man helfen muss?
  5. Welche Annahmen über das Leben mit Behinderungen wurden geäußert? Worauf beruhten diese Annahmen? Hatte jemand schon mal Angst, aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit mit einer (weiteren) Beeinträchtigung leben zu müssen? Was hätte dies für die Zukunft bedeutet?
  6. Was war die größte Überraschung unter den Erfahrungen der TN?
  7. Kennen die TN Menschen, die blind oder gehörlos sind oder im Rollstuhl sitzen? Wie sieht deren soziales Leben aus? Wie reagiert ihr Umfeld auf sie?
  8. Wie barrierefrei sind die Gebäude und Straßen in der Umgebung, welche Hindernisse fallen den TN auf?
  9. Was kann und soll man tun, um gleiche Rechte und Würde von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten?
  10. Sind die Rechte von Menschen mit Behinderungen auch eine menschenrechtliche Angelegenheit? Welche Rechte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) sind hier besonders relevant? Kennen die TN die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) und ihre wesentlichen Inhalte? Ist die UN-BRK hierzulande ratifiziert worden und gibt es ein entsprechendes Monitoring?
  11. Was kann die Schule, ein Verein oder die Jugendgruppe tun, um die Gleichheit und Würde von Menschen mit Behinderungen zu fördern? Was kann die Gruppe hierzu beisteuern?

Tipps für die Moderation

Einführung

Diese Übung richtet sich an eine Lerngruppe, in der sich keine Person mit Beeinträchtigung befindet. Bitte beachten Sie, dass Beeinträchtigungen nicht immer sichtbar sind und/oder Sie Kenntnis davon haben. Sehen Sie im Zweifelsfall von der Durchführung der Übung ab. Der Rollstuhlparcours für Teil 4 sollte nicht zu lang sein, planen Sie 5 Minuten pro Teilnehmer*in ein. Rollstühle können Sie eventuell in einem Krankenhaus ausleihen, in einer Senioreneinrichtung oder bei einer Organisation, die Rollstühle zum vorübergehenden Gebrauch verleiht. Alternativ können Sie auch komplett auf den Rollstuhlparcours verzichten. Stattdessen diskutieren Sie mit den Teilnehmer*innen über den Text: The problem with “Spend a Day in a Wheelchair” (Das „Ein-Tag-im-Rollstuhl“-Problem) von Jeffrey Preston, übersetzt und ergänzt von Raul Krauthausen.

Das „Ein Tag im Rollstuhl“-Problem

„Die meisten Befürworter des „Ein Tag im Rollstuhl“-Experiments – mich eingeschlossen – denken, dass die Unkenntnis der Menschen, was das Leben mit Behinderung angeht, der zentrale Grund für die Benachteiligung von Menschen mit Behinderung ist. Die Welt ist eben für Nichtbehinderte gebaut. Abweichende Bedürfnisse werden oft gar nicht mitgedacht. Seit Jahren werden deshalb „Ein Tag im Rollstuhl“-Experimente veranstaltet, bei denen Nichtbehinderte eine bestimmte Behinderung zugeordnet bekommen und verschiedene Aufgaben erfüllen sollen. Sie bekommen die Augen verbunden, schlüpfen in einen Alterssimulationsanzug oder setzen sich in einen Rollstuhl. Die Idee dahinter ist, dass durch dieses Ausprobieren Nichtbehinderte sich in ein Leben mit Behinderung hineinversetzen und auch aufkommende Probleme besser verstehen können.

Je mehr ich solche Experimente erlebt und begleitet habe, desto weniger kann ich sie empfehlen: Solche Experimente können, wenn sie unreflektiert als schnelle “pädagogische” Maßnahme ohne ein sauber durchdachtes Konzept durchgeführt werden, mehr Schaden anrichten, als dass sie Gutes bringen. (…) Letztendlich ist es frustrierend für die TeilnehmerInnen, wenn sie durch Stufen aufgehalten werden, aber die wahren Ängste und die Isolation, die permanent durch fehlende Barrierefreiheit entstehen, nie in ihrer gesamten Tiefe vermittelt werden können. Während des ganzen Experiments wissen die Menschen, ob bewusst oder unbewusst, dass ihre Einschränkungen nur temporär sind und sie den Rollstuhl (zum Glück) bald verlassen oder die Augenbinde bald ablegen können. Deswegen spielen sie eben nur behindert und sehen das Experiment als Herausforderung, die es zu gewinnen gilt. Das ist problematisch, weil es auch bei den ZuschauerInnen eine Art Sensationslust weckt: Bewusst oder unbewusst wollen sie die TeilnehmerInnen bei ihren Mühen und kleinen Erfolgen in der “Rollstuhl-Challenge” beobachten. Am schlimmsten ist, dass aus diesem Spiel Gewinner und Verlierer hervorgehen. Dadurch kann der Eindruck entstehen, dass Menschen mit Behinderungen sich nur mehr anstrengen müssen, um über ihre Behinderung hinwegzukommen. (…)

Einigen Stufen ausgesetzt zu sein ist nichts im Vergleich dazu, gegen Vorurteile bei der Arbeitssuche zu kämpfen, sich der Zerreißprobe namens Amt zu stellen oder den Tag zu planen, wenn im Alltag ein Netz aus verschiedenen Unterstützungen oder Assistent*innen benötigt wird. Die Planung ist wahrscheinlich eines der anstrengendsten Aufgaben, die das Leben mit permanenter Behinderung mit sich bringt – und das kann nicht innerhalb einiger Minuten (oder eines Tages) im Rollstuhl simuliert werden! (…)

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die TeilnehmerInnen nach dem „Tag im Rollstuhl“ feststellen, wie schwer das Leben mit Behinderung ist. Sie merken, dass nicht alles erreichbar ist, dass es anstrengend ist, sich im Rollstuhl fortzubewegen und dass Fremde sie in der Öffentlichkeit anstarren. Statt mehr Verständnis zu schaffen, bestätigen solche Experimente oft nur das Vorurteil von Mitleid und lösen gleichzeitig das Gefühl aus, es gäbe einfach zu viele Barrieren, um Barrierefreiheit jemals verwirklichen zu können. In diesem Sinne macht „ein Tag im Rollstuhl“ nichtbehinderte Menschen einfach dankbar, dass sie keine Behinderung haben und verstärkt sogar die Trennung zwischen denen mit und denen ohne Behinderung. (…)

Es hängt weitgehend von der Gruppe ab, wie Sie diese Übung durchführen. Machen Sie allen bewusst, dass hier verschiedene Alltagssimulationen durchgespielt werden, die Gelegenheit bieten, mit den eigenen Gefühlen und Reaktionen auf Beeinträchtigungen, Barrieren und Behinderung zu experimentieren. Erklären Sie, dass es nicht darum geht, jemanden lächerlich zu machen, unzulässig unter Stress zu setzen oder in peinliche Situationen zu bringen.

Wenn die Zeit nicht für alle Simulationen reicht, dann begnügen Sie sich mit einer oder zwei. Diese Übung versucht, einen ersten Einblick in den Alltag von Menschen mit einer Beeinträchtigung zu geben und auf Barrieren aufmerksam zu machen. Greifen Sie ein, wenn die TN etwas Gefährliches tun oder sich über Menschen mit Behinderungen oder über einzelne TN lustig machen. Gegebenenfalls können Sie in der Nachbereitung darauf zurückkommen und zum Beispiel fragen: Wann machen sich Leute über Menschen mit Behinderungen lustig? Wer tut das und warum? Wie erkennt man die Grenze zwischen Humor und Beleidigung?

Es ist unmöglich, die Simulation von Beeinträchtigungen und ihr Wechselspiel mit umweltbedingten Barrieren so zu gestalten, dass die Lebensrealität von Menschen mit Beeinträchtigungen und ihre Einschränkungen in der gleichberechtigten Teilhabe angemessen abgebildet und erfahrbar gemacht werden können. Vielmehr besteht das Risiko, dass in einem Rollenspiel Stereotypen reproduziert und gefestigt werden und eine Verkürzung auf das medizinische und defizitäre Verständnis von Behinderungen stattfindet. Für die Durchführung und Auswertung einer solchen Simulationsübung ist es wichtig, sich dieser Grenzen bewusst zu sein und die eigenen Vorstellungen und die Ausgestaltung der zugewiesenen Rolle zu reflektieren.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Wenn Sie die Übung mit Kindern durchführen oder mit Erwachsenen, die mit Kindern oder Jugendlichen arbeiten, könnten Sie sich Artikel 23 der UN-Kinderrechtskonvention ansehen, der besagt, dass Kinder mit Behinderungen ein Recht auf besondere Betreuung, Erziehung und Ausbildung haben, damit sie ein erfülltes und menschenwürdiges Leben führen können. Oder recherchieren Sie zur UN-BRK. Besonders relevant könnten Artikel 8 (Bewusstseinsbildung) und Artikel 24 (Recht auf inklusive Bildung) sein. Aber auch die allgemeine Abkehr von einer Defizitorientierung, der Fokus auf Barrierefreiheit und voller Teilhabe an der Gesellschaft bieten sinnvolle Vertiefungsmöglichkeiten. Bitten Sie die Gruppen, sich über Menschen mit Behinderungen in ihrem sozialen Umfeld (auch in der Familie) zu informieren. Beziehen Sie Menschen mit Behinderungen und ihre Perspektive und ihr Wissen in die Recherche ein. Darüber hinaus können sie untersuchen, zu welchen Dienstleistungen und Einrichtungen Menschen mit Behinderungen barrierefreien Zugang haben. Gibt es in der Jugendgruppe, im Verein oder der Schule Kinder mit Behinderungen? Können sie dieselben Dinge tun wie alle andern auch? Wenn nicht, warum nicht? Lassen Sie sie aus ihrem Alltag berichten!

Wenn die Gruppe gern Rollenspiele macht, kann sie sich anhand der Übung „Ich will arbeiten“ mit den Barrieren beschäftigen, auf die Menschen mit Beeinträchtigungen bei der Bewerbung um eine Arbeitsstelle treffen.

Interessiert sich die Gruppe für die Frage, wie man auf andere Diskriminierungsdimensionen reagiert – zum Beispiel aufgrund der Hautfarbe –, dann könnte sie die Übung „Was tun gegen Rassismus?“ machen.

Ideen zum Handeln

Die Gruppe könnte überlegen, welche Gruppen von Menschen besonderer Unterstützung bedürfen, und nach Möglichkeiten suchen, diese zu unterstützen. Ratschläge und Ideen finden Sie im Kapitel 3 „Aktiv werden für Menschenrechte“ (PDF, 1,1 MB). Laden Sie eine*n Aktivist*in mit Beeinträchtigung ein, der/die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einsetzt und lassen Sie sich aus der Arbeit berichten.

Weitere Informationen

Nach der UN-BRK werden Beeinträchtigungen als Bestandteile menschlichen Lebens, als Ausdruck von Vielfalt und als Bereicherung für die Gesellschaft und ihre Weiterentwicklung begriffen. Die Barrieren, die Menschen mit einer Beeinträchtigung darin behindern, voll umfänglich und gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben und der Umsetzung ihrer Rechte teilzuhaben, können unterschiedlich sein: Fehlende Rampen und Aufzüge in öffentlichen Gebäuden sind physische Barrieren, schlecht verständliche Durchsagen in Zügen und kompliziert formulierte Antragsformulare kommunikative Barrieren. Auch verbale und psychische Barrieren wie Begriffe, Zuschreibungen und das Verhalten gegenüber bestimmten Personengruppen können Menschen hindern, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten. Hier wird deutlich, dass Behinderungen in der Wechselwirkung zwischen dem Individuum und der Umwelt entstehen, weswegen viele Menschen sagen: „Ich bin nicht behindert, ich werde behindert!“ Behindernd ist nicht das individuelle Defizit einer Person, sondern die Situation. Der Umgang mit Behinderungen und Barrieren wird so zu einer Aufforderung an die Gesellschaft, menschliche Vielfalt in ihrer Weiterentwicklung zur berücksichtigen, sodass alle Menschen barriere- und diskriminierungsfrei teilhaben können.

Die Umsetzung der Rechte von Menschen mit Behinderungen variieren in ihrer Qualität von Land zu Land beträchtlich. Ökonomische Gründe spielen eine Rolle, mehr als alles andere hat Inklusion aber damit zu tun, ob der Anspruch auf Gleichheit und gesellschaftliche Solidarität ernst genommen wird, bekannt ist und im Alltag thematisiert wird. Die Situation sieht in jedem Land anders aus. Die Kosten für Hörgeräte zum Beispiel werden manchmal von der Kranken- oder Sozialversicherung übernommen, manchmal nicht. Für Gehörlose gibt es spezielle Telekommunikationsgeräte – oder eben nicht – und elektrische Rollstühle werden mancherorts von der Gemeinde oder vom Staat bezahlt.

Arbeitsblätter

Weiterführende Links

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