Unvollständige Zusammenfassung einiger Ereignisse, die allgemein mit der Geschichte der Menschenrechte beziehungsweise mit Religionen und Philosophie in Verbindung gebracht werden:
Circa 2000 v. u. Z. Das Gesetz von Hammurabi in Babylonien (heutiger Irak) ist das erste schriftlich niedergelegte Gesetzbuch. Durch diese schriftliche Niederlegung wird das Recht transparenter als zuvor. Der König Babylons gelobt, „im Königreich Gerechtigkeit walten zu lassen, ... die Starken von der Unterdrückung der Schwachen abzuhalten ... das Land zu erleuchten und das Gute im Volk zu fördern.“
Circa 1500 v. u. Z. Nach biblischer Überlieferung übergibt Moses den Stämmen Israels die Gesetzestafeln mit den zehn Geboten Gottes, unter anderem: „Du sollst nicht töten.“
Ab circa 660 v. u. Z. Als Goldene Regel bezeichnet man einen alten und verbreiteten Grundsatz der praktischen Ethik: „Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst“ („Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg’ auch keinem anderen zu“). Ähnliche Merksprüche oder Lehrsätze werden vom 7. Jahrhundert v. u.Z. an in religiösen und philosophischen Texten aus China, Indien, Persien, Altägypten und Griechenland überliefert.
Circa 500-400 v. u. Z. Buddha predigt im heutigen Indien Moral, Ehrfurcht vor dem Leben, Gewaltlosigkeit und richtiges Verhalten.
Ab circa 550 v. u. Z. Der Hinduismus entsteht. Er vereint verschiedene religiöse Strömungen, einige davon glauben an eine Wiedergeburt oder an heilige Tiere. In allen Strömungen ist das Karma, das ethische Handeln, wichtig.
Circa 500 v. u. Z. In den Lehren des Konfuzius ist das zentrale Thema die menschliche Ordnung, die seiner Meinung nach durch Achtung vor anderen Menschen und Ahnenverehrung erreichbar sei.
Circa 400 v. u. Z. Das Dàodéjīng, die Grundlage des Daoismus, entsteht. Der chinesischen Legende nach stammt es von einem Weisen namens Lˇaozˇi. Es enthält eine Lehre, die die Befreiung von Gewalt und Armut, die dauerhafte Etablierung eines harmonischen Zusammenlebens und letztlich den Weltfrieden zum Ziele hat.
Circa 26–33 u. Z. Jesus predigt Toleranz, Gerechtigkeit, Vergebung und Liebe.
Circa 613–632 u. Z. Mohammed lehrt die Grundsätze der Gleichheit, Gerechtigkeit und des Mitgefühls, die im Koran offenbart werden.
930 In Island wird das Althing gegründet, das älteste Parlament der Welt.
1215 In diesem Jahr erheben sich englische Adlige und Angehörige des Klerus gegen den König von England. Sie setzen die große Freiheitscharta (Magna Charta) auf und zwangen ihn damit zu dem Versprechen, sich an das Gesetz zu halten. Die Magna Charta schützt allerdings nur die Rechte der Privilegierten (des Adels), also nicht die Rechte aller Menschen. Dennoch wird sie häufig zitiert, wenn es darum geht, Freiheiten zu verteidigen, weil sie die Macht des Königs zugunsten der Rechte und Freiheiten anderer einschränkt.
1222 Die Manden Charta (gehört als älteste Verfassung der Welt zum Kulturerbe der Menschheit) und die Kurukan Fuga Charta (1236 u. Z.) bündeln und übersetzen mündliche Überlieferungen aus Westafrika. Sie verkünden Prinzipien wie Dezentralisierung, Umweltschutz, Menschenrechte und kulturelle Vielfalt.
1632-1704 Von John Locke stammt die Theorie, dass alle Menschen bestimmte Rechte haben, die sich nicht aus ihrer jeweiligen Regierung oder aus Gesetzen ableiten, sondern daraus, dass sie Menschen sind. Die Legitimität einer Regierung beruhe eben darauf, inwieweit sie diese natürlichen Rechte achte, so Locke. Der Gedanke, dass diese natürlichen Rechte einen Anspruch auf bestimmte gesetzliche Schutzrechte begründen, findet immer mehr Zustimmung und geht nach und nach in die Verfassungen mancher Länder ein. Mit den Menschenrechten wird dieser Gedanke neu formuliert und auch auf das Verhältnis zwischen Regierung und Individuen bezogen.
1789 Die Französische Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Mit der Erklärung wird das politische und rechtliche System der Monarchie abgeschafft. Stattdessen werden die natürlichen Rechte des Menschen als „Freiheit, Eigentum, Sicherheit und das Recht auf Widerstand gegen Unterdrückung“ definiert. Das Prinzip der Gleichheit vor dem Gesetz ist ebenfalls in der Erklärung enthalten. Auch hier gibt es jedoch Rückschläge für die Idee der Menschenrechte, wie wir sie heute kennen: Olympe de Gouges verfasst 1791 die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin und kritisiert, dass an der Erklärung der Menschenund Bürgerrechte keine Frauen beteiligt sind. Sie wird 1793 hingerichtet.
1791 Vereinigte Staaten von Amerika: Bill of Rights. Der Kongress der Vereinigten Staaten nimmt die Bill of Rights als Verfassungszusatz an. Sie enthält die Rechte auf Schwurgerichtsverhandlung, Meinungs- und Redefreiheit, Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit und andere.
1791 Als Haitianische Revolution wird der Sklavenaufstand in der französischen Kolonie Saint-Domingue und die nachfolgenden Ereignisse bezeichnet. Sie führt am 1. Januar 1804 zur Umwandlung der Kolonie in den Staat Haiti – den ersten unabhängigen Staat in Lateinamerika und den ersten, der durch ehemalige Sklaven geformt wird.
1807 Verabschiedung von Gesetzen gegen den Sklavenhandel in Großbritannien und Amerika. 1890 wird ein internationales Gesetz gegen die Sklaverei unterzeichnet, das später von 18 Staaten ratifiziert wird. Darin wird die Absicht erklärt, den Handel mit afrikanischen Sklaven zu beenden. Zwangsarbeit und menschenverachtende Arbeitsbedingungen werden mit dem Gesetz aus der Brüsseler Konferenz jedoch nicht bekämpft. Selbst die internationale Konvention gegen Sklaverei von 1926, mit der Sklaverei in jeglicher Form abgeschafft werden soll, hat keine Auswirkungen auf die verbreitete Praxis der Zwangsarbeit.
1859 Schlacht von Solferino. Sie bringt Henry Dunant auf die Idee, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz zu gründen, und führt zu den ersten Genfer Konventionen.
1863 Gründung der Religion der Bahai durch Bahā’ullāh in Bagdad. Die Bahai glauben an die Einheit Gottes, die Einheit der Religionen und die Einheit und Gleichheit aller Menschen.
1899 Unterzeichnung des ersten Haager Abkommens, das zusammen mit den Genfer Konventionen die Grundlage des humanitären Völkerrechts bildet
1893 Einführung des Wahlrechts für Frauen in Neuseeland (als erstem Land der Welt)
1918 Gründung der Native American Church in den USA. Sie lehrt eine Mischung aus verschiedenen Religionen der indigenen nordamerikanischen Bevölkerung und dem Christentum.
1945 Gründung der Vereinten Nationen (UN). Die Charta der Vereinten Nationen nennt als grundlegende Ziele, „unseren Glauben an die Grundrechte des Menschen, an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit und an die Gleichberechtigung von Mann und Frau ... erneut zu bekräftigen“.
1948 Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (AEMR) durch die Vereinten Nationen. Die AEMR ist zweifellos bahnbrechend und nach wie vor das wichtigste globale Menschenrechtsinstrument. Zur Absicherung ihrer Prinzipien werden seitdem etliche rechtlich bindende Instrumente geschaffen und von der internationalen Staatengemeinschaft vereinbart. Weitere Informationen über einige dieser internationalen Abkommen finden sich in Kapitel 4.3.
1950 Verabschiedung der Europäischen Menschenrechtskonvention durch den Europarat. Sie garantiert bürgerliche und politische Rechte für alle 47 Mitgliedstaaten. Ihre große Stärke ist das Organ zu deren Durchsetzung – der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR).
1961 Gründung von Amnesty International als Ergebnis einer Kampagne zur Befreiung zweier portugiesischer Studenten, die sieben Jahre lang im Gefängnis saßen, weil sie auf die Freiheit angestoßen hatten
1965 Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von rassistischer Diskriminierung (1969 in Kraft getreten)
1966 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (1976 in Kraft getreten)
1971 Nach einer Abstimmung (des männlichen Teils der Bevölkerung) wird das Frauenwahlrecht in der Schweiz eingeführt. Auf kantonaler Ebene wird es zuerst 1959 im Kanton Waadt beschlossen; als letzter Kanton schließt sich 1990 Appenzell Innerrhoden an – allerdings nicht freiwillig, sondern aufgrund eines Entscheids des Bundesgerichts. 1984 führt Liechtenstein als letztes westeuropäisches Land das Frauenwahlrecht ein, nachdem zuvor in zwei Volksabstimmungen (1971 und 1973) die Einführung noch abgelehnt worden ist.
1976 Aufstand in Soweto, Südafrika, auch Schüleraufstand genannt. Er fordert zahlreiche Todesopfer und führt zu lange andauernden, landesweiten Protestaktionen gegen die rassistische Bildungspolitik und das gesamte Apartheidsregime des Landes.
1979 Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau (CEDAW) (1981 in Kraft getreten)
1984 Anti-Folter-Konvention der UN (1987 in Kraft getreten)
1989 Übereinkommen über die Rechte des Kindes (1990 in Kraft getreten). Dies ist der Menschenrechtsvertrag, der von den meisten Staaten unterzeichnet ist. Nur die USA haben die Konvention nicht ratifiziert.
1990 Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Wanderarbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen (ICRMW) (2003 in Kraft getreten)
2007 Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (im Mai 2008 in Kraft getreten). Keine andere UN-Konvention der Geschichte wird gleich am ersten Tag von so vielen Staaten unterzeichnet wie diese.