Übungen

Wie viel brauchen wir?

„Menschen können ein gemeinsames Ziel erreichen, ohne den gleichen Weg zu gehen.“

Amadou Hampatê Bâ 
malischer Schriftsteller (1901–1991)

Überblick

Themen
  • Krieg und Terrorismus
  • Gesundheit
  • Bildung
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

Beliebig (in Kleingruppen: 5–6 Personen)

Zeit

60 Minuten

Überblick

In dieser Übung geht es um Diskussion und Entscheidungsfindung. In Kleingruppen wird über die Umverteilung der weltweiten Rüstungsausgaben zur Finanzierung der globalen Nachhaltigkeitsziele (Sustainable Development Goals, SDGs, Agenda 2030) entschieden.

Fokus
  • Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit
  • Das Recht auf Entwicklung
  • Das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard
  • Das Recht auf Gesundheit und Bildung
Ziele
  • Das Wissen über die SDGs erweitern
  • Problemlösungsstrategien und kritisches Denken entwickeln
  • Solidarität und die Motivation zur Lösung globaler Probleme entwickeln
Materialien
  • Kompass-Geld (Vorlage am Ende von Kapitel 2 „Praktische Übungen zur Menschenrechtsbildung“)
  • Ein Flipchart und 2 verschiedenfarbige Stifte
  • Kopien der Nachhaltigkeitsziele 2, 3, 4,und 6 (für jede Gruppe ein Set)
Vorbereitung
  • Kopieren Sie die 17 SDGs in der Größe eines Posters
  • Kopieren Sie die Logos der SDGs 2, 3, 4 und 6 auf eine Kartengröße von circa 10 x 10 cm
  • Kopieren Sie das Kompass-Geld. Stecken Sie zur besseren Handhabung je 1 Satz Geldscheine in einen Umschlag. Sie brauchen Scheine mit folgenden Werten (je 1 Satz pro Kleingruppe):
  • 8 x 100 Ems
  • 10 x 50 Ems
  • 20 x 10 Ems

Durchführung

Anleitung

  1. In dieser Übung geht es um die Frage, wie das nötige Geld aufgebracht werden kann, um einige der dringlichsten sozialen und ökonomischen Probleme von heute zu lösen.
  2. Fragen Sie die Teilnehmer*innen (TN), was sie über die SDGs wissen. Wie viele Nachhaltigkeitsziele können die TN aufzählen?
  3. Stellen Sie mit Hilfe des Posters die SDGs vor und erläutern Sie kurz, wie sich die Vereinten Nationen auf die Agenda 2030 geeinigt haben. Machen Sie deutlich, dass die Finanzierung durch externe Mittel nur ein Aspekt unter vielen ist, und dass es bei den SDGs auch um Kapazitätsentwicklung, Handel und systemische Probleme geht. Diese Übung konzentriert sich aber auf die Frage der Finanzierung.
  4. Es werden Kleingruppen zu fünf bis sechs Personen gebildet. Geben Sie folgendes Szenario vor: Obwohl Finanzexpert*innen hart daran gearbeitet haben, die Finanzierung der SDGs zu sichern, besteht nach wie vor eine Deckungslücke. Die Kleingruppen stellen UN-Arbeitsgruppen dar, die beurteilen sollen, ob 1750 Milliarden US-Dollar zusätzlich pro Jahr ausreichen, um Ziel 2 (kein Hunger), Ziel 3 (gute Gesundheitsversorgung), Ziel 4 (hochwertige Bildung) und Ziel 6 (sauberes Wasser und Sanitäranlagen) zu erreichen. Um die Zahl von 1750 Milliarden US-Dollar zumindest etwas in Relation zu setzen, geben Sie den TN die Information, dass das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2014 77.000 Milliarden $ betrug. Das BIP der USA betrug 2014 17.500 Milliarden $; von Deutschland 3.850 Mrd. $ und von Somalia 5,7 Mrd. $.
  5. Erläutern Sie, dass 1 Em 1 Milliarde $ entspricht, sodass sie bis zu 1500 Milliarden $ ausgeben können, wenn sie das für nötig halten.
  6. Die Kleingruppen sollen über die SDGs diskutieren und schätzen, wie viel für jedes Ziel wohl bereitgestellt werden müsste.
  7. Die zur Verfügung gestellten Geldsummen werden auf die Zielkarten gelegt. Erläutern Sie, dass die TN nicht alles Geld ausgeben müssen – die restlichen 13 SDGs benötigen bestimmt auch zusätzliche Mittel.
  8. Dann berichten die Gruppen nacheinander, wie viel Geld sie für jedes Ziel bereitgestellt haben und halten die Beträge auf einem Flipchart fest. In dieser Phase sollte nicht diskutiert werden; die Gründe für die Entscheidungen bleiben der allgemeinen Diskussion vorbehalten. Es reicht, wenn die Moderation auf die Unterschiede zwischen den Zuweisungen aufmerksam macht.
  9. Berichten Sie den TN, welche zusätzlichen Summen das britische Forschungsinstitut ODI tatsächlich veranschlagt hat:
    1. Ziel 2: 50 Milliarden $
    2. Ziel 3: 40 Milliarden $
    3. Ziel 4: 40 Milliarden $
    4. Ziel 6: 30 Milliarden $
  10. Halten Sie jede Schätzung mit einem andersfarbigen Stift auf einem Flipchart fest und bitten Sie die Gruppen, ihre Geldscheine entsprechend umzusortieren und zu zählen, wie viel Geld übrig bleibt.
  11. Teilen Sie der Gruppe mit, dass die 1750 Milliarden $ nicht aus dem Nichts kommen, sondern dass diese Summe in Wirklichkeit den globalen Rüstungsausgaben entspricht (Stand 2017).

Nachbereitung und Auswertung

Beurteilen Sie zunächst, wie die Übung gelaufen ist, und sprechen Sie dann über die Lernerfahrungen.

  • Wie haben die Gruppen gearbeitet? War es leicht, sich auf Prioritäten und Schätzungen zu einigen? Wie wurden Meinungsverschiedenheiten gelöst?
  • Gab es irgendwelche Anmerkungen über die Beträge, die nötig sind, um die Finanzierung der SDG-Ziele zu sichern? Entsprachen die 175 Milliarden $ mehr oder weniger der Schätzung der TN?
  • Glauben die TN, dass wir die Rüstungsausgaben verringern und das eingesparte Geld für die Finanzierungslücke der SDGs verwenden sollten?
  • Was ist mit den zusätzlichen Mitteln, die für die restlichen 13 Ziele aufgetrieben werden müssen? Würden die TN die übrig gebliebenen 1580 Milliarden $ dafür einsetzen?
  • Sicherheit ist offensichtlich sehr wichtig. Was sind heutzutage die größten Bedrohungen der menschlichen Sicherheit, lokal und global?
  • Wie könnte man die 1750 Milliarden $, die heutzutage für Militärausgaben eingesetzt werden, am sinnvollsten verwenden?
  • Welche Menschenrechte sind wichtig für das SDG-Ziel 16, Frieden und Gerechtigkeit? Und für die Ziele 2, 3, 4 und 6?
  • Was kann die Gruppe auf lokaler und nationaler Ebene tun, um die SDGs zu unterstützen?

Tipps für die Moderation

Einführung

Die Übung konzentriert sich zwar auf die Finanzierung der SDGs durch externe Gelder, sollte aber nicht den Eindruck erwecken, dass die Umsetzung der SDGs hauptsächlich davon abhängt. Das entspricht einem Bild von Entwicklung, von dem sich die SDGs versuchen abzuwenden. So spricht Ziel 17, das Ziel zu den Umsetzungsmitteln, nur unter anderem von Finanzierung und behandelt weitere Mittel zur Umsetzung wie zum Beispiel Technologietransfer, Kapazitätsentwicklung und Handel. Gegebenenfalls sollten Sie in der Einführung und in der Diskussion darauf hinweisen und die anderen Umsetzungsmittel nennen.

Die SDGs wurden 2015 verabschiedet. Sie sollten betonen, dass es sich bei den Schätzungen für die zusätzlichen Finanzierungskosten um vorläufige Zahlen handelt. Beachten Sie, dass die Übung 2016 entwickelt wurde; zu jener Zeit gab es noch keine Schätzungen, wieviel es kostet, die restlichen SDGs zu erreichen. In Schritt 4 der Anleitung haben wir drei Länder als Beispiele genommen. Die USA sind notiert, weil sie das höchste BIP der Welt haben; Deutschland, weil es das höchste BIP Europas hat, und Somalia, weil es eines der niedrigsten der Welt besitzt und eine lange Geschichte von Krieg und Gewalt hat. Die Liste der Länder nach Bruttoinlandsprodukt pro Kopf führen allerdings Luxemburg und die Schweiz (Österreich liegt in dieser Liste auf Platz 15, Deutschland auf Platz 19), kaufkraftbereinigt Katar und Macau an (Stand 2017). Sinnvollerweise teilen Sie den TN das BIP der für sie relevanten Staaten mit. Sie finden diese Informationen zum Beispiel bei der Weltbank oder beim Internationalen Währungsfonds (IMF).

Wenn die TN wenig Vorwissen über die SDGs mitbringen, sollten Sie keine realistischen Schätzungen erwarten. Fordern Sie die Gruppen auf, ihr vorhandenes Wissen einzubringen und so gut wie möglich zu schätzen.

Die aufgeführten Kosten und die globalen Rüstungsausgaben wurden aus praktischen Gründen auf- oder abgerundet, entsprechen in der Höhe aber den tatsächlichen Summen. Zum Beispiel belief sich das Rüstungsbudget 2017 laut des Stockholmer Internationalen Friedensinstituts (Sipri) auf 1740 Milliarden $. Seit 2009 liegen die Zahlen konstant über 1600 Milliarden $.

Der Sinn, die Geldscheine zu verteilen und umzuverteilen besteht darin, dass die Gruppe einen „physischen“ Eindruck davon erhält, wie wenig Mittel eigentlich nötig sind, um die SDGs zu finanzieren.

In der Nachbereitung können Sie darauf hinweisen, dass der jährliche Zuschuss für die Finanzierung der SDGs 2, 3, 4 und 6 in der Höhe von 175 Milliarden $ einem Zehntel des jährlichen globalen Rüstungsbudgets entspricht.

Punkte, die in der Diskussion über Sicherheit auftauchen können:

  • Bekannte Argumente für Militär- und Verteidigungsausgaben blenden die Bedrohungen aus, denen wir heute ausgesetzt sind: zum Beispiel HIV, Ebola, organisiertes Verbrechen, Terrorismus, Klimawandel.
  • Es gibt heute viel mehr Bürgerkriege als früher. Starke nationale Verteidigung ist nicht gleichzusetzen mit Sicherheit.
  • Der jährlich erscheinende UN Human Development Report beschrieb 1994 sieben Aspekte von Sicherheit, die bedroht sein können: politische und wirtschaftliche Sicherheit, persönliche Sicherheit, Sicherheit in der Gemeinde sowie sichere Gesundheit, Nahrung und Umwelt. Die Umsetzung der SDGs würde diese Sicherheitsaspekte in vielerlei Hinsicht erhöhen.
  • Diskriminierung und die Verletzung von sozialen und wirtschaftlichen Menschenrechten können unter bestimmten Umständen kollektive Gewaltausbrüche fördern.
  • Verletzungen von bürgerlichen und politischen Menschenrechten lösen häufig Konflikte aus. Die Verweigerung von politischen Partizipationsrechten ist häufig mit innerstaatlichen Konflikten verbunden.
  • Die Verletzung der körperlichen Unversehrtheit, vor allem in totalitären Staaten, kann zu Konflikten führen.
  • In demokratischen Staaten gibt es weniger Konflikte als in Staaten ohne Demokratie und ohne Menschenrechtsschutz.
  • Im Namen der Sicherheit wird der öffentliche Raum mit Drohnen und Videokameras überwacht, werden Telefon und Internet abgehört. Wie notwendig ist Überwachung und welche Menschenrechte werden verletzt, welche geschützt?

Die Verbindung zwischen SDG 16 und den Menschenrechten finden Sie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB).

Varianten

Die Übung lässt sich auch als Rollenspiel durchführen, bei dem über die Ausgaben für Rüstung und die SDGs verhandelt wird. Teilen Sie den Gruppen verschiedene Rollen zu, zum Beispiel Regierungsmitglieder, NGOs aus den Bereichen Armut, HIV oder Bildung, ein*e Sprecher *in der Rüstungsindustrie, ein Gewerkschaftsmitglied für den Rüstungsbereich, Angehörige des Militärs und andere Interessengruppen.

Jede Rolle braucht ein paar Richtlinien, beispielsweise:

  • Regierung: Ihre Priorität ist die Verbesserung der Lebensqualität Ihrer Bevölkerung, aber auch die Sicherheit Ihres Landes.
  • NGOs: Ihre Priorität ist eine drastische Verringerung der Rüstungsausgaben und ein Schuldenschnitt für die ärmsten Länder.
  • Rüstungsindustrie: Ihre Priorität ist die Erhaltung Ihrer Märkte und Gewinne, aber Sie sind verhandlungsbereit.
  • Gewerkschaft der Beschäftigten in der Rüstungsindustrie: Ihre Priorität ist ein besseres Leben in Frieden, aber Sie fürchten auch den Verlust Ihrer Arbeitsplätze.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Das Wissen der Gruppe über die Ursachen und Folgen von Armut und mangelnder Entwicklung lässt sich anhand der Übungen „Zugang zu Medikamenten“ und „Kampf um Geld und Macht“ ergänzen und vertiefen.

Beginnen Sie eine Diskussion darüber, wie globale Sicherheit erhöht werden könnte; erstellen Sie Karten der zehn Unterziele von SDG 16 und bitten Sie die Kleingruppen, ein Diamanten-Ranking vorzunehmen (die Anleitung dazu finden Sie in Kapitel 1 „Menschenrechtsbildung und Kompass: eine Einführung" (PDF, 348 KB)). Fragen Sie die TN nach ihrer Einschätzung, wie sehr jedes Ziel die globale Sicherheit erhöhen würde. Auf welche Menschenrechte beziehen sich die Ziele?

Sie können die Gruppe auch bitten, sich über die SDGs zu informieren und herauszufinden, welchen Beitrag ihr Land leistet, um die Ziele zu erreichen.

Bitten Sie die TN, entweder das BIP oder den HDI-Rang (Index für humane Entwicklung) ihres eigenen Landes (oder Europas) mit einem Land des globalen Südens zu vergleichen und dann den historischen und aktuellen Gründen für die Ungleichheiten nachzugehen. Sollen die wohlhabenden Länder mehr Verantwortung für die mangelnde Entwicklung anderswo übernehmen? Warum (nicht)?

Ideen zum Handeln

Kontaktieren Sie Institutionen, die in Ihrem Land für das Erreichen der SDGs Verantwortung tragen, und überlegen Sie, wie Sie deren Kampagnen unterstützen können.

Bei einer Schulveranstaltung oder einem anderen Event können Sie aus der Übung ein Quiz machen.

Weitere Informationen

Während die Vorgänger der Nachhaltigkeitsziele, die Millenniumentwicklungsziele (MDGs), die Menschenrechte nicht erwähnten, sollen die SDGs Menschenrechte ausdrücklich verwirklichen. Mehr noch: Die SDGs bauen auf Menschenrechtsstandards auf und müssen im Einklang mit Menschenrechten umgesetzt werden. Das heißt zum Beispiel, dass Menschenrechte auch nicht „nebenbei“ verletzt werden dürfen (etwa Zwangsumsiedlungen, um Slums abzuschaffen). Menschenrechte müssen bei den SDGs also das Ziel und den Weg bestimmen. Das gilt für und in allen Ländern, also nicht nur im Globalen Süden.

Das Verständnis dafür, inwiefern Gewalt und das Fehlen von Sicherheit Entwicklung hemmen kann – und wie umgekehrt Frieden und Stabilität Entwicklung fördern, ist einer der wichtigsten Unterschiede zwischen den Milleniums- und den Nachhaltigkeitszielen.

Arbeitsblätter

Zum Seitenanfang springen