Übungen

Der Walfang und die Makah

„Man kann es drehen und wenden, wie man will – Walfang ist Mord und Mord ist Unrecht.“

Whale and Dolphin Conservation 

Überblick

Themen
  • Kultur und Sport
  • Umwelt
  • Globalisierung
Komplexität

Stufe 4

Gruppengröße

14+ Personen

Zeit

150 Minuten

Überblick

Diese Übung umfasst Kleingruppenarbeit, ein Rollenspiel, Diskussion und Konsensfindung zu folgenden Themen:

  • Die nachhaltige Nutzung der Meeresressourcen
  • Die Rechte indigener Gruppen, frei über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden
Fokus
  • Das Recht auf Teilnahme am kulturellen Leben
  • Das Recht auf Nahrung und Nutzung natürlicher Ressourcen
  • Das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit
Ziele
  • Bewusstsein dafür bilden, dass die Rechtsansprüche auf Teilnahme am kulturellen Leben und auf Schutz der Umwelt kollidieren können
  • Kritisches Denken entwickeln, Argumente darlegen und zur Konsensfindung fähig sein
  • Offenheit gegenüber kulturellen Unterschieden entwickeln
Materialien
  • Arbeitsblätter
  • Stifte und Notizpapier für die Gruppen
Vorbereitung
  • Lesen Sie alle Arbeitsblätter und machen Sie sich mit den Informationen zu den einzelnen Punkten vertraut, damit Sie Auskunft geben können.
  • Kopieren Sie die Rollenkarten für jede Gruppe. Jede Person sollte über eine eigene Rollenkarte verfügen.

Durchführung

Anleitung

Die Aktivität besteht aus 2 Teilen: Teil 1 (30 Minuten) ist eine Einführung in die Übung und die darin angesprochenen ökologischen und kulturellen Probleme. Teil 2 (90 Minuten) simuliert eine Versammlung, auf der über den Antrag der Makah bei der Internationalen Walfangkommission (IWC) zur Wiederaufnahme des Walfangs beraten wird. Die Makah sind eine indigene Gruppe im Bundesstaat Washington im Nordwesten der USA. Weitere 30 Minuten sind zur Nachbereitung vorgesehen.

Teil 1: Einführung in die ökologischen und kulturellen Fragestellungen (30 Minuten)
  1. Diese Übung beschäftigt sich mit ökologischen und kulturellen Rechten. Im Fokus stehen der Antrag der Makah an die IWC zur Wiederaufnahme des Walfangs und der Widerspruch von Umweltorganisationen und anderen NGOs.
  2. Berichten Sie der Gruppe von den Makah und davon, dass der Streit seit vielen Jahren andauert und die Gerichtskosten ausufern. Umweltorganisationen haben mit rücksichtslosen Methoden gearbeitet und dabei ihr eigenes Leben und das von anderen riskiert. Einige Makah sind derart frustriert, dass sie sich über das Gesetz hinweggesetzt und illegal Wale gefangen haben. Die Situation ist für alle äußerst unbefriedigend und es wird Zeit, dass sich die Gegner zusammensetzen, um Gemeinsamkeiten zu finden und eine Lösung zu entwickeln. Die Simulation spielt im Jahr 2007, also bevor Urteile und Fangquoten verabschiedet wurden (siehe „Eine kurze Geschichte der jüngsten Auseinandersetzungen“).
  3. Führen Sie in die angesprochenen Themen ein, indem die Teilnehmer*innen (TN) mithilfe der Methode „Hoch- und Tief“ darlegen, wie sie sich zu den genannten Fragen positionieren (zur Anwendung der Methode siehe „Übungen zur Evaluation“). Lesen Sie die folgenden Aussagen vor:
    1. Sitten und Gebräuche indigener Gruppen sollen respektiert werden, solange sie nicht die Menschenrechte verletzen.
    2. Man soll das Recht aller Menschen achten, zu essen, was sie wollen.
    3. Unsere Nahrung soll mit nachhaltigen Methoden hergestellt werden.
    4. Bei der Tierhaltung sollten Quälereien wie Massentierhaltung oder grausame Schlachtmethoden vermieden werden.
    5. Kulturelle Traditionen sind für Menschen sehr wichtig und sollen respektiert werden.
    6. Wale dürfen nicht gejagt werden, auch nicht aus kulturellen Gründen.
Teil 2: Simulation einer Versammlung, in der versucht werden soll, die Blockade zwischen den Makah und den Gegner*innen des Walfangs aufzubrechen. (90 Minuten)
  1. Erinnern Sie die Gruppe daran, dass die erbitterten Kämpfe, im wörtlichen und rechtlichen Sinn, seit Jahren andauern und dass endlich eine Lösung gefunden werden soll. Diese Aktivität simuliert eine Versammlung der erfundenen Organisation KRUND (Kultur, Rechte, Umwelt, Nachhaltigkeit und Dialog). KRUND ist eine unabhängige Organisation, die sich um die menschenrechtlichen Aspekte von Umweltproblemen kümmert. Sie versucht, die gegenseitige Verständigung durch Dialog zu fördern. An der von KRUND geleiteten Versammlung nehmen vier Gruppen teil:
    1. Die Gruppe der Makah, die für die Wiederaufnahme des Walfangs eintritt
    2. Die Allianz des Hohen Nordens (AHN), eine Dachorganisation von Wal- und Robbenfänger*innen. Die AHN setzt sich ein für die Zukunft der Küstenkulturen und die nachhaltige Nutzung von Meeressäugern. Die AHN unterstützt die Makah.
    3. Die Organisation Sea Shepherd, die Verstöße gegen internationale Gesetze, Verordnungen und Verträge zum Schutz von wild lebenden Meerestieren untersucht und dokumentiert. Sie legt gegen den Antrag der Makah Widerspruch ein.
    4. Greenpeace, eine Umweltorganisation, die den Walfang bekämpft.
  2. KRUND moderiert eine Diskussion, die sich auf 5 Fragen konzentriert:
    1. Warum sind Wale für die beteiligten Gruppen wichtig?
    2. Sind Grauwale vom Aussterben bedroht?
    3. Warum soll (nicht) dafür gesorgt werden, dass die Makah kein Walfleisch mehr essen?
    4. Können die Makah ihre Walfangmethode ändern?
    5. Falls eine Einigung zustande kommt, wie muss sie überwacht werden?
  3. Vier Freiwillige vertreten KRUND, die anderen TN bilden 4 gleich große Kleingruppen. Verteilen Sie die Rollenkarten. Die Gruppen haben 30 Minuten Zeit, über die Informationen zu diskutieren und sich mit Argumenten zu den fünf Fragen zu positionieren.
  4. Sind die Gruppen bereit, rufen Sie sie ins Plenum und bitten Sie die KRUND-Vertreter*innen, die Versammlung zu leiten. Die Versammlung soll 60 Minuten dauern.
  5. KRUND eröffnet die Versammlung mit einer kurzen Darstellung des Hintergrunds dieser Diskussion hinsichtlich der Menschenrechte und der Umwelt. KRUND betont noch einmal, dass der Zweck der Zusammenkunft darin besteht, Informationen auszutauschen und über die in den fünf Fragen dargelegten Probleme zu diskutieren. Dann tragen die Makah ihr Anliegen vor. Anschließend beginnt die Diskussion.
  6. Nach der Diskussion soll KRUND die wesentlichen Ergebnisse zusammenfassen. Geben Sie den TN anschließend ein paar Minuten Zeit, aus ihrer Rolle zu schlüpfen, bevor sie zur Nachbereitung und Auswertung im Plenum zusammenkommen.

Nachbereitung und Auswertung

Sprechen Sie zunächst über den Diskussionsprozess und ob zu irgendeiner Frage ein Konsens erzielt werden konnte. Dann sprechen Sie allgemein über folgende Fragen:

  • War es schwer, die verschiedenen Rollen zu übernehmen?
  • Was war am interessantesten?
  • Womit ließ sich am besten argumentieren? Mit einem Appell an Gefühle oder mit rationalen, logischen Argumenten?
  • Wie schwer war es, die andere Seite der Diskussion zu verstehen? Wie schwer war es, diese zu akzeptieren?
  • Wie viele Gemeinsamkeiten gab es jeweils bei den fünf Fragen?
  • Wie schwer ist es im realen Leben, die kulturellen Gepflogenheiten anderer zu akzeptieren, die man selbst als unverständlich oder unethisch empfindet? Wie schwierig ist es, kulturellen Unterschieden gegenüber aufgeschlossen zu sein?
  • An welchem Punkt wird der Konflikt zwischen den Kulturen zur Diskriminierung?
  • Führt Globalisierung unweigerlich zum Kulturverlust? Wenn eine Kultur sich verändert, geht sie dann verloren? Oder sollten wir den kulturellen Wandel als einen positiven Prozess in einer sich verändernden Welt betrachten?
  • Um welche Menschenrechte ging es bei dieser Übung?
  • Kollidierende Rechtsansprüche werden normalerweise vor Gericht ausgetragen. Ist das eine faire Art, Menschenrechtsfragen zu klären?
  • Klären Sie die Gruppe darüber auf, was seit 2007 im Fall der Makah passiert ist. Findet die Gruppe die Entscheidungen gut? Warum (nicht)?
  • Was sollte Vorrang haben: die Rechte der Menschen auf Nahrung und Leben beziehungsweise kulturelle Rechte oder der Umwelt- und Artenschutz?

Spielen Sie zum Schluss eine neue Runde „Hoch und Tief“, um festzustellen, ob sich die Einstellungen der Teilnehmer*innen zum Thema Walfang geändert haben. Stellen Sie dieselben Fragen wie in Teil 1.

Tipps für die Moderation

Einführung

Aufgrund der komplexen Problemstellung eignet sich diese Aktivität am besten für eine fortgeschrittene Gruppe, die gut diskutieren kann. Es müssen viele Informationen aufgenommen werden und der Text auf den Rollenkarten setzt ein bestimmtes Vorwissen zur Menschenrechts- und Umweltterminologie voraus. Sie können die Übung auf zwei Zeitabschnitte verteilen und den Gruppen dazwischen Zeit geben, die Rollenkarten zu lesen und über die Probleme nachzudenken.

Ein wichtiges Ziel der Übung ist, junge Menschen mit den Grenzen ihrer eigenen kulturellen Perspektive zu konfrontieren und sie dazu zu bringen, ihre Einstellungen zur nachhaltigen Nutzung wild lebender Tierarten zu überdenken. Für viele Menschen ist der Walfang ein emotional stark besetztes Thema, zu dem sie eine klare Meinung haben. Daher stellt dieses Thema eine echte Herausforderung dar. Fragen Sie, wie die Anwesenden reagieren würden, wenn man ihnen bestimmte Speisen verbieten würde, die zu ihrer Kultur, ihrem Lebens und ihren Traditionen gehören. Ein weiteres Ziel besteht darin, Konsensfähigkeit zu entwickeln. Aus diesem Grund wird die Versammlung in dieser Übung von der imaginären Organisation KRUND (Kultur, Rechte, Umwelt, Nachhaltigkeit und Dialog) moderiert.

Im ersten Schritt von Teil 2 kann es hilfreich sein, einige Fragen auch durch Recherche zu vertiefen:

  • Warum sind Wale wichtig? Welche wirtschaftlichen, historischen, ökologischen und spirituellen Gründe gibt es dafür?
  • Sind Grauwale vom Aussterben bedroht? Welche wissenschaftlichen Belege gibt es dafür?
  • Warum soll (nicht) dafür gesorgt werden, dass die Makah kein Walfleisch mehr essen? Anhänger*innen des Judentums und des Islams zum Beispiel essen häufig kein Schweinefleisch, versuchen aber nicht, es anderen zu verbieten.
  • Können die Makah ihre Walfangmethode ändern? Vergessen Sie nicht, dass ein Wandel kultureller Praktiken möglich ist und auch stattfindet: So ist es zum Beispiel durch AIDS in vielen Kulturen auf der ganzen Welt inzwischen nicht mehr tabu, über Sexualität zu sprechen.
  • Falls es zu einer Übereinkunft kommt, wie müsste sie überwacht werden, um den Schutz der Wale tatsächlich durchzusetzen? Gibt es freien Zugang zu Informationen? Wer soll darüber entscheiden, ob die Walbestände in einem bestimmten Jahr ausreichend groß sind? Und wie kann Betrug verhindert werden?

Eventuell müssen Sie nachprüfen, ob die Begriffe und Konzepte auf den Rollenkarten verstanden werden. Zum Beispiel:

Indigene Völker

Es gibt keine eindeutigen Kriterien um indigene Völker zu definieren. Allgemein formuliert sind sie die Nachkommen von Völkern, die in einem bestimmten Gebiet lebten, bevor die Kolonialmächte kamen und willkürliche Staatsgrenzen zogen. Der Staat, in dem sie heute leben, betrachtet sie in der Regel als Minderheiten. Häufig sind sie in Gruppen organisiert. Die UN-Generalversammlung beschloss 2007 die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker. Nach dieser Erklärung sollen indigene Völker folgende Rechte genießen: ein Recht auf Selbstbestimmung, ein Recht, frei über ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu entscheiden, und ein Recht auf Würde und Vielfalt ihrer Kulturen.

Das Vorsorgeprinzip

Das Vorsorgeprinzip besagt, dass Vorsorgemaßnahmen ergriffen werden müssen, wenn ein Eingriff die menschliche Gesundheit oder die Umwelt bedroht, selbst wenn manche Ursache-Wirkungs-Beziehungen wissenschaftlich nicht zweifelsfrei bewiesen sind. Das heißt, dass auch bei Zweifeln gehandelt werden muss, wobei die Beweislast bei denen liegt, die Risiken produzieren. Alternativen zu potenziell gefährlichen Eingriffen müssen geprüft werden und die Beschlussfassung muss unter Beteiligung der Betroffenen stattfinden.

Nachhaltigkeit

Im Jahr 1989 definierte die UN-Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, auch Brundtlandt-Kommission genannt, nachhaltige Entwicklung als „Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ „Nachhaltige Nutzung“ ist ein Begriff, der nur auf erneuerbare Ressourcen anwendbar ist: Er bedeutet die Nutzung der Ressource in einem Maße, das ihre Selbsterneuerung erlaubt. Man hat sich weltweit auf das Prinzip der nachhaltigen Nutzung der natürlichen Ressourcen der Erde geeinigt, das auf wissenschaftlichen Aussagen und objektiven Daten beruht.

Varianten

Wenn die Gruppe klein ist, können Sie auch mit nur zwei Parteien arbeiten: den Makah und der Allianz des Hohen Nordens auf der einen Seite und Greenpeace und Sea Shepherd auf der anderen.

Sie können die Übung zu einem späteren Zeitpunkt erneut durchführen. Die Gruppen können in der Zwischenzeit Fakten recherchieren und über ihre Positionen nachdenken.

Alternativ lässt sich diese Aktivität auch als Podiumsdiskussion durchführen. Dabei werden die vier Gruppen der Makah, der Allianz des Hohen Nordens, Sea Shepherd und Greenpeace von je einer Person vertreten. Nachdem diese jeweils ihre Position dargelegt haben, kann das Publikum Fragen stellen. Am Ende wird über jede der fünf Fragen abgestimmt. Auf diese Weise wägen die TN die menschenrechtlichen, kulturellen und ökologischen Aspekte des Themas gegeneinander ab, allerdings fehlt das Element der Konsensfindung.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Wenn sich die Gruppe mit dem Gedanken des Kulturwandels beschäftigen möchte, dann arbeiten Sie mit der Übung „Bald überholt“ weiter.

Ideen zum Handeln

Informieren Sie sich über indigene Völker und wie Sie sie unterstützen können etwa über Petitionen oder auch, indem Sie deren Produkte aus fairem Handel kaufen.

Weitere Informationen

The Makah Whale Hunt and Leviathan’s Death: Reinventing Tradition and Disputing Authenticity in the Age of Modernity. Rob van Ginkel, Universität Amsterdam. Das Buch ist im Internet verfügbar.

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