Übungen

Auf der Leiter

„Als Bürgerinnen und Bürger haben wir alle die Pflicht, uns einzumischen und zu beteiligen – wir sind diejenigen, die etwas verändern.“

José Saramago 
portugiesischer Autor und Literaturnobelpreisträger (1922-2010)

Überblick

Themen
  • Politische Partizipation
  • Demokratie
Komplexität

Stufe 3

Gruppengröße

12-30 Personen

Zeit

120 Minuten

Überblick

Diese Übung enthält Rollenspiele, bei denen es um Entscheidungsfindung geht. Es wird über die Bedeutung der Partizipation von Jugendlichen nachgedacht und über Mittel und Wege diskutiert, die eigene Partizipation am Wohnort zu verstärken.

Fokus
  • Das Recht, sich an der Regierung des Landes und an freien Wahlen zu beteiligen
  • Das Recht, am kulturellen Leben teilzunehmen
  • Das Recht auf Informationsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung
Ziele
  • Über Beteiligungsrechte und -möglichkeiten junger Menschen nachdenken und Faktoren ermitteln, die sie stärken oder aber beeinträchtigen
  • Lernen, mit anderen zusammenzuarbeiten, sich zu organisieren und aktiv zu werden
  • Selbstverantwortlichkeit fördern
Materialien
Vorbereitung
  • Kopieren Sie das Arbeitsblatt je 1x pro Kleingruppe
  • Fertigen Sie 6 Schilder mit folgenden Aufschriften an: Hindernisse, Kontrolle, keine Kontrolle, günstige Faktoren, Kontrolle, keine Kontrolle

Durchführung

Anleitung

Teil 1. Was ist das Stufenmodell der Partizipation? (45 Minuten)
  1. Fragen Sie, was die Teilnehmer*innen (TN) unter dem Begriff „Partizipation“ beziehungsweise Beteiligung verstehen und ob sie Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention zum Recht auf Beteiligung kennen
  2. Verteilen Sie das Schaubild mit dem Stufenmodell der Partizipation und erläutern Sie, dass dieses Modell verschiedene Beteiligungsmöglichkeiten anschaulich macht. Besprechen Sie kurz die einzelnen Stufen.
  3. Es werden 8 Kleingruppen gebildet. Weisen Sie jeder Gruppe eine Partizipationsstufe zu und bitten Sie sie, diese anhand eines Beispiels in einem 2- bis 3-minütigen Rollenspiel darzustellen.
  4. Anschließend führen die Gruppen nacheinander ihre Rollenspiele auf. Gestatten Sie zwischendurch Fragen oder Kommentare, wenn gewünscht.
Teil 2. Wie beteiligen wir uns?
  1. Alle TN haben 5 Minuten Zeit, um still für möglichst viele Stufen Beispiele aus ihrem Leben zu finden. Sie sollen dabei alle Bereiche ihres Lebens berücksichtigen: ihr Zuhause, ihre Schule, Freizeitclubs und Vereine, Arbeit, Familie und Freundeskreis.
  2. Anschließend werden diese Beispiele in Gruppen zu 4 oder 5 besprochen. Fragen Sie nach Hindernissen (Dinge, die sie davon abhalten, auf der Leiter weiter nach oben zu klettern) und günstigen Faktoren (Dinge, die ihnen helfen, auf der Leiter weiter nach oben zu klettern). Jeder Faktor soll auf einem eigenen Zettel notiert werden.
  3. Hängen Sie währenddessen die vorbereiteten Schilder „Hindernisse“ und „günstige Faktoren“ mit etwa zwei Metern Abstand dazwischen auf. Eröffnen Sie dann das Plenum und bitten Sie die Gruppen, ihre Zettel unter den passenden Überschriften an die Wand zu heften.
  4. Gehen Sie die beiden Listen gemeinsam durch. Bitten Sie um Klärung nicht eindeutiger Aussagen und versuchen Sie, Meinungsverschiedenheiten über die Platzierung von Aussagen zu schlichten.
  5. Hängen Sie nun jeweils unterhalb der Überschriften die Unterüberschriften „Kontrolle“ und „keine Kontrolle“ auf und bitten Sie die TN, jede Liste aufzuteilen, je nachdem, ob es bei den Aussagen um Dinge geht, die sie kontrollieren können oder könnten, oder ob es sich um Faktoren handelt, die außerhalb ihres Einflussbereichs liegen.
  6. Sprechen Sie zum Schluss über die Platzierung der Zettel in den vier Listen. Gehen Sie dann zur Nachbereitung über.

Nachbereitung und Auswertung

  • Haben die TN nach dieser Übung eine bessere Vorstellung davon, wie sie sich in verschiedenen Bereichen ihres Lebens einbringen? Was hat die TN am meisten überrascht?
  • Ist die Beteiligung nach der Meinung der TN allgemein hoch oder gering – in der Schule, im Verein und in der Gemeinde? Warum ist das so?
  • Spielt es eine Rolle, ob sich junge Menschen aktiv einbringen oder nicht? Warum (nicht)?
  • Ist eine geringe Partizipation im Wesentlichen inneren (psychologischen) oder eher äußeren Faktoren geschuldet?
  • Was für ein Gefühl ist es, tatsächlich mitbestimmen zu können, also wenn eine Beteiligung nicht nur Alibifunktion hat?
  • Können die TN die Stufen der Partizipation nachvollziehen? Was ist gut, was fehlt?
  • Würden die Gruppenmitglieder gern auf einer höheren Stufe beteiligt sein, als es derzeit der Fall ist? Wenn ja, in welchen Bereichen? Was spricht dafür und was dagegen?
  • Würden die Gruppenmitglieder gern auf einer niedrigeren Stufe partizipieren, als es derzeit der Fall ist? Wenn ja, in welchen Bereichen? Was spricht dafür und was dagegen?
  • Wie viele haben das Gefühl, sich stärker als derzeit einbringen zu können, und wie viele haben das vor? Wenn ja, wie und wann?
  • Wie ist das Recht auf Beteiligung in Menschenrechtsverträgen verankert? (siehe weitere Informationen)

Tipps für die Moderation

Einführung

Ermuntern Sie die Gruppe in Teil 2, möglichst viele verschiedene Partizipationsmöglichkeiten zu nennen. Ideen finden Sie in Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB) - „Partizipation“. Stellen Sie bei der Einführung des Stufenmodells der Partizipation klar, dass die höchste Stufe nicht immer die beste ist. In manchen Situationen und je nach Sachverstand, Zeit oder Interesse der Einzelnen kann es durchaus angemessen sein, sich beispielsweise in beratender oder stellvertretender Funktion einzubringen.

Es ist nicht grundsätzlich falsch, in bestimmten Situationen nur zur Beratung hinzugezogen (oder sogar einfach nur informiert) zu werden. Allerdings sind die unteren drei Stufen Fremdbestimmung, Dekoration und Alibi-Teilhabe nicht akzeptabel. Sie bedeuten minimale oder gar keine Einbeziehung und Teilhabe und können deshalb nicht als Partizipation bezeichnet werden. Diesen Punkt sollten Sie hervorheben und sich vergewissern, dass darüber keine Zweifel bestehen. Ermuntern Sie die Gruppe beim Nachdenken über günstige Faktoren und Hindernisse, so viele Aussagen wie möglich in die Kategorie „Kontrolle“ einzuordnen. Siekönnen ein paar Beispiele nennen oder darauf hinweisen, dass es psychologische, aber auch materielle oder strukturelle Hindernisse geben kann. Machen Sie den TN Mut, Hindernisse zu überwinden. Wenn sie zum Beispiel sagen, „eine Autorität (Lehrkraft, Vereinsvorstand oder Hochschuldirektorium) lässt uns nicht“, dann haken Sie nach, ob sie überhaupt gefragt haben!

Sagen sie: „Wir glauben nicht, dass wir das tun können“, dann fragen Sie, welche Hindernisse bestehen und ob diese nicht überwunden werden könnten. Sagen sie: „Da würden meine Eltern/die Lehrkräfte/die Behörde sauer werden“, dann überlegen Sie, ob die Frage so gestellt werden kann, dass die betreffenden Personen anders reagieren.

Sie können diese Übung auch als Gelegenheit nutzen, um über die Beteiligung der Gruppenmitglieder am Unterricht oder an Vereinsaktivitäten allgemein zu sprechen. Sondieren Sie Möglichkeiten, Beteiligung und Eigeninitiative der Gruppenmitglieder zu fördern. In einer Diskussion darüber, ob einige Gruppenmitglieder andere daran hindern, auf einer höheren Stufe zu partizipieren, können Probleme wie Gruppenzwang und Mobbing thematisiert werden.

Varianten

Statt der Fälle aus ihrem eigenen Leben können die Gruppenmitglieder in den Rollenspielen zu Beginn auch günstige Faktoren und Hindernisse behandeln. Setzen Sie nach jeder Aufführung die Methode Forumtheater (siehe Kapitel 5 „Globale Themen im Menschenrechtsschutz“ (PDF, 4,5 MB)) ein und bitten Sie die TN, die Handlung auf andere Weise fortzusetzen. Damit können sie in lebensnahen Situationen erproben, wie Hindernisse, die sie von einer aktiven Partizipation abhalten, überwunden werden.

Vorschläge zur Weiterarbeit

Erstellen Sie mit der Gruppe einen Aktionsplan, wie Menschen mehr Verantwortung und Kontrolle über ihr Handeln gewinnen können. Die Übung „Der wahre Preis der Kleidung“ fördert persönliches Handeln und Verantwortungsbewusstsein und zeigt Beteiligungsmöglichkeiten an einer Kampagne auf.

Ideen zum Handeln

Lassen Sie die TN eine Liste erstellen, was sie in ihrem Umfeld gern verändern würden. Dann sollen sie ein oder zwei Punkte auf dieser Liste ins Auge fassen, die ihnen machbar erscheinen, und überlegen, wie sie ihrer Stimme Gehör verschaffen oder auf andere Art etwas bewirken können. Ermuntern Sie sie, diese Ideen in die Tat umzusetzen!

Weitere Informationen

Partizipation bedeutet, dass sich auch junge Menschen in ihrem gesamten sozialen Umfeld aktiv engagieren und mitbeteiligt sind bei der Planung und Entscheidungsfindung in Bereichen, in denen junge Menschen üblicherweise nichts zu sagen haben, zum Beispiel Sport, Schulen, Vereine, Verbände und Kommune. Das heißt, dass Menschen an Planungen und Aktionen beteiligt sind, die echte Bedürfnisse befriedigen, und dass sich dies auch auf andere auswirkt.

In der UN-Kinderrechtskonvention, die für alle Menschen bis zum 18. Lebensjahr gilt, heißt es in Artikel 12: „Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.“

Beim Europarat gibt es ein Handbuch zur Revidierten Europäischen Charta der Beteiligung der Jugend am Leben der Gemeinde und der Region mit dem Titel „Bring dich ein!“. Dies ist eine ausgezeichnete Ressource über Partizipation, die ein eigenes Kapitel mit Übungen enthält.

In Europa gibt es eine lange Tradition der Partizipation. So fördert der Europarat eine stärkere Beteiligung von jungen Menschen durch sein Co-Management-System im Jugendsektor: Im Beratenden Jugendausschuss sind 30 internationale Jugend-NGOs und nationale Jugendräte vertreten, die gemeinsam mit staatlichen Jugendbeauftragten im Europäischen Lenkungsausschuss Jugend über Schwerpunkte und Programme entscheiden und Empfehlungen für zukünftige Politiken und Programme erarbeiten. Der Beratende Ausschuss formuliert außerdem Stellungnahmen und Vorschläge zu allen Fragen, die die Jugend in den Mitgliedstaaten des Europarats betreffen.

Das Europäische Jugendforum (YFJ) ist eine unabhängige, demokratische, von Jugendlichen geführte Plattform, auf der etwa 100 nationale Jugendräte und internationale Jugendorganisationen vertreten sind. Ziel des YFJ ist das Empowerment junger Menschen durch die Vertretung ihrer Interessen und der Interessen ihrer Organisationen gegenüber den europäischen Institutionen, dem Europarat und den Vereinten Nationen, damit sie sich aktiv in die Gesellschaft einbringen können, um ihr eigenes Leben zu verbessern. Das YFJ ist überzeugt, dass eine „Kultur der Partizipation“ geschaffen werden muss. Das bedeutet, dass sich die Agenda der Jugendpolitik Hand in Hand mit der verstärkten Partizipation junger Menschen an Entscheidungsfindungsprozessen über sie betreffende Angelegenheiten entwickeln muss.

Arbeitsblätter

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